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Entsetzen. — Der durch diesen Ausdruck bezeichnete Seelenzustand schließt äußerste Furcht ein und ist in manchen Fällen beinahe synonym mit ihr. So mancher Mensch schon muß vor der glücklichen Entdeckung des Chloroforms beim Gedanken an eine bevorstehende chirurgische Operation Entsetzen empfunden haben. Wer einen Menschen fürchtet, ebenso wenn er ihn haßt, wird, wie Milton das Wort braucht, ein Entsetzen vor ihm fühlen. Wir empfinden Entsetzen, wenn wir irgend Jemand, beispielsweise ein Kind, einer augenblicklichen zermalmenden Gefahr ausgesetzt sehen. Beinahe ein Jeder würde dies selbe Gefühl im höchsten Grade an sich erfahren, wenn er Zeuge davon sein sollte, daß ein Mensch gemartert würde oder gemartert werden sollte. In diesen Fällen ist keine Gefahr für uns selbst vorhanden; aber durch die Kraft der Einbildung und der Sympathie versetzen wir uns selbst in die Lage des Leidenden und empfinden etwas der Furcht Verwandtes.

Sir Ch. Bell bemerkt,[1] daß „das Entsetzen voll von Energie ist; der Körper ist im Zustande äußerster Anspannung, nicht durch Furcht entnervt“. Es ist daher wahrscheinlich, daß das Entsetzen allgemein von einer starken Zusammenziehung der Augenbrauen begleitet sein wird. Da aber Furcht eine der darin enthaltenen elementaren Empfindungen ist, so werden die Augen und der Mund geöffnet und die Augenbrauenrunzler diese Bewegung gestatten. Duchenne hat eine Photographie[2] (Figur 21) des bereits wiederholt erwähnten alten Mannes gegeben, wo die Augen etwas starrend, die Augenbrauen zum Theil erhoben und gleichzeitig stark zusammengezogen, der Mund geöffnet und das Platysma in Thätigkeit gesetzt war, und zwar auch hier wieder Alles durch Anwendung des Galvanismus. Er ist der Ansicht, daß die hierdurch hervorgebrachte Ausdrucksform äußerste Furcht mit entsetzlichem Schmerz oder Qualen anzeigt. Ein gemarterter Mensch wird, so lange ihm seine Leiden gestatten, vor dem Kommenden irgend welche Furcht zu empfinden, wahrscheinlich Entsetzen im allerhöchsten Grade darbieten. Ich habe die Original-Photographie dreiundzwanzig Personen beiderlei Geschlechts und verschiedenen Alters gezeigt; dreizehn antworteten sofort: Entsetzen,


  1. Anatomy of Expression, p. 169.
  2. Mécanisme de la Physionomie Humaine, Album, pl. 65, p. 44, 45.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/299&oldid=- (Version vom 31.7.2018)