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Dr. Bucknill sagt[1], daß ein Wahnsinniger „wahnsinnig bis in die Fingerspitze ist“; er hätte noch hinzufügen können: und häufig bis zur Spitze jedes einzelnen Haares.

Dr. Browne erwähnt als eine empirische Bestätigung der Beziehung, welche bei Geisteskranken zwischen dem Zustande des Haares und dem der Seele besteht, Folgendes: Die Frau eines Arztes, welche die Pflege einer an acuter Melancholie mit starker Furcht vor dem Tode für sich selbst, ihren Mann und ihre Kinder leidenden Dame übernommen hatte, berichtete ihm am Tage, ehe er meinen Brief erhalten hatte, wörtlich wie folgt: „Ich glaube, Mrs. — wird sich bald bessern, denn ihr Haar fängt an, glatt zu werden; und ich habe immer bemerkt, daß unsere Patienten besser werden, sobald ihr Haar aufhört, kraus und unbehandelbar zu sein.“

Dr. Browne schreibt den beständigen rauhen Zustand des Haares bei vielen geisteskranken Patienten zum Theil dem Umstande zu, daß ihr Geist fortwährend etwas gestört ist und zum Theil den Wirkungen der Gewohnheit, — d. h. dem Umstande, daß das Haar während der vielen wiederkehrenden Paroxysmen stark aufgerichtet wird. Bei Patienten, bei denen das borstige Sträuben einen extremen Grad erreicht, ist die Krankheit meist dauernd und tödtlich; bei andern aber, wo das Sträuben nur mäßig eintritt, erhält das Haar, sobald sie den gesunden Zustand ihres Geistes wieder erlangen, auch seine Glätte wieder.

In einem frühern Capitel haben wir gesehen, daß bei Thieren das Haar durch die Zusammenziehung außerordentlich kleiner, nicht gestreifter und unwillkürlicher Muskeln aufgerichtet wird, welche an jeden einzelnen Haarbalg treten. Mr. J. Wood hat, wie er mir mittheilt, deutlich durch das Experiment ermittelt, daß außer der Wirkung jener Muskeln beim Menschen die Haare auf dem vordern Theile des Kopfes, welche nach vorn niedergelegt sind, und diejenigen am hintern Theile des Kopfes, welche nach hinten herabliegen, durch die Zusammenziehung des Hinterhaupt-Stirnmuskels oder Kopfhautmuskels in entgegengesetzten Richtungen aufgerichtet werden. Es scheint daher dieser Muskel das Aufrichten der Haare am Kopfe des Menschen in derselben Weise zu unterstützen, wie der Panniculus carnosus, oder der große Hautmuskel, bei der Aufrichtung der Stacheln am


  1. citirt von Dr. Maudsley, Body and Mind, 1870, p. 41.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/290&oldid=- (Version vom 31.7.2018)