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komme. Der Furcht geht häufig ein Erstaunen voraus; und in so weit ist sie dem letzteren verwandt, daß beide dazu führen, die Sinne des Gesichts und des Gehörs augenblicklich anzuspannen. In beiden Fällen werden die Augen und der Mund weit geöffnet und die Augenbrauen erhoben. Der zum Fürchten gebrachte Mensch steht anfangs bewegungslos wie eine Statue und athemlos da oder drückt sich nieder, als wollte er instinctiv der Entdeckung entgehen.

Das Herz zieht sich schnell und heftig zusammen, so daß es gegen die Kippen schlägt oder anstößt; es ist aber sehr zweifelhaft, ob es dann wirksamer als gewöhnlich arbeitet, so daß eine größere Menge Blutes allen Körpertheilen zugeführt wird; denn die Haut wird augenblicklich bleich, wie bei einer beginnenden Ohnmacht. Dieses Bleichsein der Oberfläche ist indessen wahrscheinlich zum großen Theile oder ausschließlich eine Folge davon, daß das Nervencentrum, von dem aus die Gefäßnerven beeinflußt werden, in einer solchen Weise afficirt wird, daß es die Zusammenziehung der kleinen Arterien der Haut verursacht. Daß die Haut unter dem Gefühle großer Furcht bedeutend afficirt wird, sehen wir an der merkwürdigen und unerklärlichen Weise, in welcher die Perspiration sofort aus ihr hervorbricht. Diese Ausscheidung ist um so merkwürdiger, als die Oberfläche der Haut dann kalt ist, woher ja der Ausdruck „kalter Schweiß“ rührt, während gewöhnlich die Schweißdrüsen zur Thätigkeit angeregt werden, wenn die Oberfläche warm ist. Auch die Haare auf der Haut richten sich auf und die oberflächlichen Muskeln zittern. Im Zusammenhange mit der gestörten Thätigkeit des Herzens wird auch das Athmen beschleunigt. Die Speicheldrüsen fungiren unvollkommen, der Mund wird trocken[1] und häufig geöffnet und geschlossen. Ich habe auch bemerkt, daß bei geringer Furcht eine starke Neigung zum Gähnen eintritt. Eines der am besten ausgesprochenen Symptome ist das Erzittern aller Muskeln des Körpers: dies zeigt sich häufig zuerst an den Lippen. Aus dieser Ursache und wegen der Trockenheit des Mundes wird die Stimme heiser oder unbestimmt, oder kann


  1. Mr. Bain (The Emotions and the Will, 1865, p. 54) erklärt in der folgenden Art und Weise den Ursprung des Gebrauchs, „Verbrecher in Indien dem Gottesgerichte des Bissens von Reis zu unterwerfen. Man läßt den Angeklagten „einen Mund voll Reis einnehmen und denselben nach einer kurzen Zeit auswerfen. Ist der Bissen ganz trocken, dann wird der Mensch für schuldig gehalten, — sein eigenes böses Gewissen wirkt darauf hin, die Speicheldrüsen zu lähmen.“
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/284&oldid=- (Version vom 31.7.2018)