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daß dadurch der Gehörsinn geschärft werde; ich habe aber Personen beobachtet, welche mit gespannter Aufmerksamkeit auf ein unbedeutendes Geräusch hörten, dessen Natur und Quelle sie ganz gut kannten, und sie öffneten ihren Mund nicht. Eine Zeit lang bildete ich mir daher ein, daß das Öffnen des Mundes vielleicht dazu helfen könne, die Richtung, von welcher ein Laut ausgeht, zu unterscheiden, und zwar dadurch, daß man dem Laute noch einen andern Canal für seinen Eintritt ins Ohr, nämlich durch die Eustachische Trompete, darböte. Dr. Ogle[1] aber, welcher so freundlich gewesen ist, die besten neueren Autoritäten über die Functionen der Eustachischen Trompete zu consultiren, theilt mir mit, daß es beinahe zur Evidenz erwiesen ist, daß sie, ausgenommen beim Acte des Schlingens, verschlossen bleibt und daß bei Personen, bei denen die Trompete abnormer Weise offen bleibt, der Gehörsinn durchaus nicht vollkommener ist; er wird dann im Gegentheil dadurch beeinträchtigt, daß die Athemlaute viel deutlicher werden. Wird eine Uhr in den Mund gehalten, ohne aber dessen Wände irgendwo zu berühren, so wird das Picken derselben viel weniger deutlich gehört, als wenn sie außen gehalten wird. Bei Personen, bei denen die Eustachische Trompete in Folge einer Krankheit oder eines Katarrhs permanent oder zeitweilig verschlossen ist, ist das Hören beeinträchtigt. Dies dürfte aber durch die Anhäufung von Schleim in der Trompete und die hieraus folgende Abschließung der Luft zu erklären sein. Wir können daher schließen, daß unter dem Eindrucke des Erstaunens der Mund nicht deswegen offen gehalten wird, damit die Laute deutlicher gehört werden, trotzdem daß die meisten tauben Personen ihren Mund offen halten.

Eine jede plötzliche Seelenerregung, mit Einschluß des Erstaunens, beschleunigt die Herzthätigkeit und mit dieser auch die Respiration. Nun können wir, wie Gratiolet bemerkt[2] und wie es auch mir wohl der Fall zu sein scheint, viel ruhiger durch den offenen Mund als durch die Nase athmen. Wenn wir daher mit gespannter Aufmerksamkeit auf irgend einen Laut zu hören wünschen, so unterbrechen wir entweder das Athemholen oder wir athmen, indem wir unsern Mund öffnen und gleichzeitig unsern Körper bewegungslos halten, so ruhig als möglich: Einer meiner Söhne wurde in der Nacht durch


  1. Auch Dr. Murie hat mir, zum Theil der vergleichenden Anatomie entnommene, Aufschlüsse gegeben, welche zu demselben Schlusse führen.
  2. De la Physionomie, 1865, p. 234.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/277&oldid=- (Version vom 31.7.2018)