Seite:DarwinAusdruck.djvu/253

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

nicht gegessen wird, trotzdem nichts in einer derartigen Speise vorhanden ist, was den Magen veranlassen könnte, sie wieder auszuwerfen. Erfolgt Erbrechen als eine Reflexthätigkeit aus irgend einer wirklichen Ursache — so in Folge zu reichlicher Nahrung oder verdorbenen Fleisches oder in Folge eines Brechmittels — so erfolgt es nicht augenblicklich, sondern gewöhnlich nach einem beträchtlichen Zeitraume. Um daher das Würgen oder Erbrechen, welches so schnell und leicht durch eine bloße Idee erregt wird, erklären zu können, entsteht die Vermuthung, daß unsere Urerzeuger früher die Fähigkeit gehabt haben müssen (ähnlich wie die, welche die Wiederkäuer und einige andere Thiere besitzen) willkürlich Nahrung, welche ihnen nicht zusteht, oder von welcher sie glauben, daß sie ihnen nicht bekommt, auswerfen zu können. Und wenn nun auch diese Fähigkeit verloren gegangen ist, soweit der Wille dabei in Betracht kommt, so wird sie doch zu unwillkürlicher Thätigkeit gerufen und zwar durch die Kraft einer früher wohlbefestigten Gewohnheit, sobald der Geist vor der Idee zurückschreckt, irgend eine gewisse Art von Nahrung oder irgend etwas Widerwärtiges überhaupt genossen zu haben. Diese Vermuthung erhält durch die Thatsache, welche mir Mr. Sutton versichert hat, Unterstützung, daß sich die Affen im zoologischen Garten häufig erbrechen, während sie doch in vollständiger Gesundheit sich finden, was genau so aussieht, als wäre der Act völlig willkürlich. Wir können nun wohl verstehen, daß ein Mensch im Stande ist, durch die Sprache seinen Kindern und Andern eine Kenntnis der Speisearten mitzutheilen, welche vermieden werden sollen, und daß er in Folge dessen nur wenig Veranlassung gehabt haben wird, die Fähigkeit des willkürlichen Auswerfens anzuwenden; hierdurch wird dann diese Fähigkeit leicht in Folge von Nichtgebrauch verloren gegangen sein.

Da der Geruchssinn so innig mit dem des Geschmacks in Verbindung steht, so ist es nicht überraschend, daß ein äußerst schlechter Geruch bei manchen Personen Würgen oder Erbrechen eben so leicht erregen kann, als der Gedanke an eine widerwärtige Speise es thut, und daß als eine weitere Folge davon ein mäßiger widerwärtiger Geruch die verschiedenen für den Abscheu ausdrucksvollen Bewegungen verursachen kann. Die Neigung in Folge eines fauligen Geruchs zu würgen wird in einer merkwürdigen Weise unmittelbar durch einen gewissen Grad von Gewohnheit verstärkt, dagegen sehr bald durch


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/253&oldid=- (Version vom 31.7.2018)