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die Lippen viel häufiger zurückgezogen, wodurch die grinsenden und aufeinander gebissenen Zähne gezeigt werden. Dies ist beinahe von Jedem bemerkt worden, welcher über den Ausdruck geschrieben hat.[1] Die Erscheinung ist die, als würden die Zähne entblößt, um zum Ergreifen oder zum Zerreißen eines Feindes bereit zu sein, wenn auch gar keine Absicht, in dieser Weise zu handeln, vorhanden sein mag. Mr. Dyson Lacy hat diesen grinsenden Ausdruck bei den Australiern beobachtet, wenn sie sich zanken, und dasselbe hat Gaika bei den Kaffern von Süd-Africa gesehen. Wo Dickens[2] von einem verruchten Mörder spricht, der soeben gefangen worden war und von einer wüthenden Volksmenge umgeben wurde, schildert er das Volk als „einer hinter dem andern aufspringend, die Zähne fletschend und sich wie wilde Thiere benehmend“. Jedermann, der viel mit kleinen Kindern zu thun gehabt, muß gesehen haben, wie natürlich es bei ihnen ist, wenn sie in Leidenschaft sind, zu beißen. Es scheint bei ihnen so instinctiv zu sein wie bei jungen Krokodilen, weiche mit ihren kleinen Kinnladen schnappen, sobald sie aus dem Ei ausgekrochen sind.

Ein grinsender Ausdruck und das Aufwerfen der Lippen scheint zuweilen zusammen zu gehen. Ein sorgfältiger Beobachter sagt, daß er viele Beispiele von intensivem Haß (welcher kaum von einer mehr oder weniger unterdrückten Wuth unterschieden werden kann) bei Orientalen und einmal bei einer alten englischen Frau gesehen habe. In allen diesen Fällen „war ein Grinsen, nicht bloß ein mürrisches Dareinsehen, vorhanden, die Lippen verlängerten sich, die Wangen rückten gewissermaßen herunter, die Augen wurden halb geschlossen, während die Augenbrauen vollkommen ruhig blieben“.[3]


  1. Sir Ch. Bell, Anatomy of Expression, p. 177. Gratiolet sagt (De la Physionomie, p. 369): „les dents se découvrent et imitent symboliquement l'action de déchirer et de mordre.“ Wenn Gratiolet, anstatt den unbestimmten Ausdruck symboliquement zu gebrauchen, gesagt hätte, daß diese Bewegung ein Überbleibsel einer während der Urzeiten erlangten Gewohnheit wäre, als unsere halbmenschlichen Urerzeuger mit ihren Zähnen mit einander kämpften, wie Gorillas und Orangs heutigen Tages, so würde er verständlicher gewesen sein. Dr. Piderit (Mimik und Physiognomik, S. 82) spricht auch von dem Zurückziehen der Oberlippe während der Wuth. In einem Stiche nach einem von Hogarth's wunderbaren Bildern wird die Leidenschaft in der deutlichsten Art und Weise durch die offen starrenden Augen, die gerunzelte Stirn und die exponirten grinsenden Zähne dargestellt.
  2. Oliver Twist, Vol. III, p. 245.
  3. The Spectator, July 11, 1868, p. 819.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/234&oldid=- (Version vom 31.7.2018)