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worden sind. Es kann z. B. ein Mensch wissen, daß sein Leben in der äußersten Gefahr schwebt und kann heftig wünschen, es zu retten, und doch, wie es Ludwig XVI. that, als er von einer wüthenden Volksmenge umgeben wurde, sagen: „Fürchte ich mich? Fühlt meinen Puls!“ So kann auch ein Mensch einen andern intensiv hassen. So lange aber sein Körperbau noch nicht afficirt ist, kann man nicht von ihm sagen, daß er wüthend sei.

Wuth. — Ich habe bereits Gelegenheit gehabt, von dieser Gemüthsbewegung im dritten Capitel zu handeln, als ich den directen Einfluß des gereizten Sensoriums auf den Körper in Verbindung mit den Wirkungen gewohnheitsgemäß associirter Handlungen erörterte. Wuth stellt sich in den verschiedenartigsten Weisen dar. Immer ist das Herz und die Circulation afficirt; das Gesicht wird roth oder purpurn, wobei die Venen an der Stirn und am Halse ausgedehnt werden. Das Erröthen der Haut ist bei den kupferfarbigen Indianern von Süd-America[1] und selbst, wie man sagt, an den weißen Narben, den Rückständen alter Wunden, bei Negern beobachtet worden.[2] Auch Affen werden roth aus Leidenschaft. Bei einem meiner eignen Kinder beobachtete ich, als es noch nicht vier Monate alt war, wiederholt, daß das erste Symptom eines sich nähernden leidenschaftlichen Anfalls das Einströmen des Blutes in seine nackte Kopfhaut war. Auf der andern Seite wird die Thätigkeit des Herzens zuweilen durch große Wuth so stark gehemmt, daß das Gesicht bleich oder livid wird,[3] und nicht wenige an einer Herzkrankheit leidende Menschen sind unter dieser mächtigen Gemüthserregung todt niedergefallen.

Das Athemholen ist gleicherweise afficirt. Die Brust hebt sich schwer und die erweiterten Nasenlöcher zittern.[4] So schreibt Tennyson:


  1. Rengger, Naturgeschichte der Säugethiere von Paraguay, 1830, S. 3.
  2. Sir Ch. Bell, Anatomy of Expression, p. 96. Andererseits spricht Dr. Burgess (Physiology of Blushing, 1839, p. 31) von dem Rothwerden einer Narbe bei einer Negerin, als sei dies der Natur nach ein Erröthen vor Scham gewesen.
  3. Moreau und Gratiolet haben die Farben des Gesichts unter dem Einflusse intensiver Leidenschaft erörtert; s. die Ausgabe von 1820 von Lavater, Vol. IV, p. 282 und 300, und Gratiolet, De la Physionomie, p. 345.
  4. Sir Ch. Bell, Anatomy of Expression, p. 94, 107, hat diesen Gegenstand ausführlich erörtert. Moreau bemerkt (in der Ausgabe von 1820 von Lavater's Physiognomik, Vol. IV, p. 237), und citirt Portal zur Bestätigung, daß asthmatische Patienten in Folge der gewohnheitsgemäßen Zusammenziehung der die Nasenflügel erhebenden Muskeln permanent erweiterte Nasenlöcher erhalten. Die Erklärung, welche Dr. Piderit (Mimik und Physiognomik, S. 82) von der Erweiterung [220] der Nasenlöcher gibt, um nämlich ein freies Athemholen zu gestatten, während der Mund geschlossen ist und die Zähne fest zusammengebissen sind, scheint auch nicht nahezu so correct zu sein, wie die von Ch. Bell gegebene, welcher dieselbe der Sympathie (d. h. gewohnheitsgemäßen Mitthätigkeit) aller Respirationsmuskeln zuschreibt. Man kann sehen, wie sich die Nasenlöcher eines zornigen Menschen erweitern, obschon sein Mund offen ist.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/231&oldid=- (Version vom 31.7.2018)