Wesen der Wildheit scheint in der Beibehaltung eines ursprünglichen Zustandes zu bestehen, und dies gilt gelegentlich sogar für körperliche Eigenthümlichkeiten.[1] Man könnte dieser Ansicht von dem Ursprunge des Mundverziehens den Umstand entgegenhalten, daß die menschenähnlichen Affen ihre Lippen auch dann vorstrecken, wenn sie erstaunt und selbst wenn sie etwas vergnügt gestimmt sind, während bei uns der Ausdruck allgemein auf einen mürrischen Seelenzustand beschränkt ist. Wir werden aber in einem späteren Capitel sehen, daß die Überraschung bei verschiedenen Menschenrassen zuweilen zu einem geringen Vorstrecken der Lippen führt, obschon großes Überraschen oder Erstaunen gewöhnlicher dadurch gezeigt wird, daß der Mund weit geöffnet wird. Ebenso ziehen wir ja, wenn wir lächeln oder lachen, unsere Mundwinkel zurück und haben daher jede Neigung die Lippe vorzustrecken, wenn wir vergnügt gestimmt sind, verloren, wenn wirklich unsere frühen Urerzeuger das Vergnügen in dieser Weise ausdrückten.
Eine kleine von schmollenden Kindern gemachte Geberde mag hier noch erwähnt werden, nämlich das Zucken oder das Erheben der einen Schulter. Dies hat wie ich glaube eine verschiedene Bedeutung von dem Hochhalten beider Schultern. Ein eigensinniges Kind, welches auf dem Knie seiner Mutter sitzt, hebt die ihr nähere Schulter empor, bewegt sie dann schnell weg, um gewissermaßen einer Liebkosung auszuweichen und stößt dann mit ihr rückwärts, als wollte es einen Beleidiger fortstoßen. Ich habe ein Kind in ziemlicher Entfernung von irgend jemand Anderem stehen und seine Empfindungen deutlich dadurch ausdrücken sehen, daß es die eine Schulter erhob, ihr dann eine geringe Bewegung nach rückwärts gab, und dann den ganzen Körper herumdrehte.
Bestimmtheit und Entschiedenheit. — Das feste Schließen des Mundes dient dazu, dem Gesicht einen Ausdruck der Entschiedenheit oder Bestimmtheit zu geben. Kein entschlossener Mensch hat wahrscheinlich jemals einen gewöhnlich weit offenstehenden Mund gehabt. Es wird daher auch eine kleine und schwache Unterkinnlade, welche anzudeuten scheint, daß der Mund nicht für gewöhnlich und
- ↑ Ich habe mehrere Beispiele hievon in meiner „Abstammung des Menschen“, Bd. 1, Cap. 4 gegeben.
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/226&oldid=- (Version vom 31.7.2018)