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Wir können nun untersuchen, woher es kommt, daß ein Stirnrunzeln die Empfindung von irgend etwas Schwierigem oder Unangenehmem entweder in einem Gedankenzuge oder in einer Handlung ausdrücken soll. In derselben Weise wie es Naturforscher empfehlenswerth finden, die embryonale Entwickelung eines Organes zu verfolgen, um seinen Bau vollständig zu verstehen, ist es auch in Bezug auf die Bewegungen des Gesichtsausdrucks gerathen, so nahe als möglich denselben Plan zu verfolgen. Die früheste und beinahe einzige Ausdrucksform, welche während der ersten Tage der Kindheit zu sehen ist, dann aber häufig dargeboten wird, ist die im Acte des Schreiens gezeigte; und das Schreien wird sowohl zuerst als noch einige Zeit später durch jede ängstigende oder unangenehme Empfindung oder Gemüthsbewegung erregt, durch Hunger, Schmerz, Zorn, Eifersucht, Furcht u. s. w. In solchen Zeiten werden die Muskeln rings um das Auge heftig zusammengezogen, und dies erklärt, wie ich glaube, in hohem Maße den Act des Stirnrunzelns während der übrigen Zeit unseres Lebens. Ich habe wiederholt meine eignen Kinder von einem Alter unter einer Woche bis zu dem von zwei oder drei Monaten beobachtet und gefunden, daß wenn ein Schreianfall allmählich herankam, das erste Zeichen davon die Zusammenziehung der Augenbrauenrunzler war, welche ein leichtes Stirnrunzeln verursachte und welcher sehr bald die Zusammenziehung der andern Muskeln rings um das Auge folgte. Wenn ein kleines Kind sich ungemüthlich fühlt oder unwohl ist, so kann man kleine Stirnrunzelungen — wie ich in meinem Tagebuche notirt habe, — beständig wie Schatten über ihr Gesicht ziehen sehen; diesen folgen allgemein, aber nicht immer, früher oder später Schreianfälle. Ich beobachtete z. B. ein kleines, zwischen sieben und acht Wochen altes Kind, als es Milch saugte, welche kalt und ihm daher unangenehm war; während der ganzen Zeit behielt es ein leichtes Stirnrunzeln bei. Dies entwickelte sich nie zu einem wirklichen Anfall von Weinen, doch ließ sich gelegentlich jede Stufe des dichten Herannahens eines solchen beobachten.

Da kleine Kinder zahllose Generationen hindurch der Gewohnheit, beim Anfange jeden Anfalls von Weinen oder Schreien die Augenbrauen zusammenziehen, gefolgt sind, so ist dieselbe mit dem langsam eintretenden Gefühle von irgend etwas Ängstigendem oder Unangenehmem fest associirt worden. Sie ist daher leicht geneigt unter ähnlichen Umständen auch während des reifen Alters beibehalten zu


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/217&oldid=- (Version vom 31.7.2018)