Stirn so gewohnheitsgemäß, daß die einfache Anstrengung des Sprechens beinahe immer ihre Augenbrauen veranlaßt, sich zusammenzuziehen.
Menschen aller Rassen runzeln die Stirn, wenn sie in ihren Gedanken auf irgend welche Weise verworren werden, wie ich aus den Antworten schließe, die ich auf meine Fragen erhalten habe; ich habe indessen dieselben schlecht formulirt, da ich dabei das vertiefte Nachdenken mit perplexer Überlegung verwechselt habe. Nichtsdestoweniger ist es doch klar, daß die Australier, Hindus und Kaffern von Süd-Africa die Stirn runzeln, wenn sie in Verlegenheit gerathen. Dobritzhofer bemerkt, daß die Guaranis von Süd-America bei gleicher Gelegenheit ebenfalls ihre Augenbrauen zusammenziehen.[1]
Nach diesen Betrachtungen können wir schließen, daß das Stirnrunzeln nicht der Ausdruck der einfachen Überlegung, wie tief eingehend dasselbe auch sein mag, oder der, wenn auch noch so intensiven Aufmerksamkeit ist, sondern der Ausdruck für irgend eine Schwierigkeit oder etwas Unangenehmes, was während eines Gedankenzuges oder bei einer Handlung erfahren wird. Tiefe Überlegung kann indessen selten lange fortgesetzt werden, ohne auf irgend eine Schwierigkeit zu stoßen, so daß sie allgemein von einem Stirnrunzeln begleitet sein wird. Daher kommt es, daß das Stirnrunzeln dem Gesicht gewöhnlich, wie Sir Ch. Bell bemerkt, den Ausdruck intellectueller Energie gibt. Damit aber diese Wirkung hervorgebracht werde, müssen die Augen klar und fest sein, oder nach abwärts gerichtet werden, wie es häufig beim tiefen Denken vorkommt. Das Gesicht muß nicht auf andere Weise gestört sein, wie es bei einem übelgelaunten oder mürrischen Menschen der Fall ist, oder bei einem, welcher die Wirkungen lange anhaltenden Leidens zeigt mit matten Augen und schlaff herabhängenden Kinnladen, oder welcher einen schlechten Geschmack in einer Speise wahrnimmt, oder der es schwierig findet, irgend eine unbedeutende Handlung, wie das Einfädeln einer Nadel, auszuführen. In diesen Fällen kann man häufig ein Stirnrunzeln eintreten sehen, es wird aber hier von irgend einer andern Ausdrucksform begleitet sein, welche es vollständig verhindert, daß das Gesicht den Anblick intellectueller Energie oder tiefen Denkens darbietet.
- ↑ History of the Abipones. Engl. Übers. Vol. II, p. 59, citirt von Lubbock, Origin of Civilisation, 1870, p. 355.
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/216&oldid=- (Version vom 31.7.2018)