Bei den niedern Thieren sehen wir dasselbe Princip thätig, daß sich Vergnügen aus der Berührung in Association mit Liebe herleitet. Hunde und Katzen finden offenbar großes Vergnügen daran, sich an ihren Herrn oder Herrinnen zu reiben und von ihnen gerieben oder geklopft zu werden. Wie mir die Wärter im zoologischen Garten sagten, finden viele Arten von Affen ein Entzücken darin, einander zu hätscheln oder von andern gehätschelt zu werden, auch von Personen, zu welchen sie Anhänglichkeit fühlen. Mr. Bartlett hat mir das Benehmen zweier Chimpansen, im Ganzen älterer Thiere als diejenigen, die gewöhnlich nach Europa importirt werden, beschrieben, als sie zuerst zusammengebracht wurden. Sie saßen einander gegenüber, berührten einander mit ihren weit vorgestreckten Lippen, und der eine legte seine Hand auf die Schulter des andern. Dann schlossen sie sich gegenseitig in ihre Arme ein. Später standen sie auf, ein jeder mit einem Arm auf der Schulter des andern, hoben ihren Kopf in die Höhe, öffneten ihren Mund und schrien vor Entzücken.
Wir Europäer sind an das Küssen als ein Zeichen der Zuneigung so gewöhnt, daß man es für der Menschheit angeboren halten könnte. Dies ist indessen nicht der Fall. Steele irrte sich, als er sagte, „die Natur war ihr Urheber und es begann mit der ersten Brautwerbung“. Jemmy Button, der Feuerländer, sagte mir, daß diese Gewohnheit in seinem Vaterlande unbekannt sei. Sie ist gleichfalls unbekannt bei den Neu-Seeländern, den Eingebornen von Tahiti, den Papuas, den Australiern, den Somalis von Africa und den Eskimos.[1] Es ist aber insoweit eingeboren oder natürlich, als es allem Anscheine nach von dem Vergnügen abhängt, mit einer geliebten Person in nahe Berührung zu kommen. In verschiedenen Theilen der Welt wird es durch das Reiben der Nasen aneinander ersetzt, so bei den Neu-Seeländern und Lappländern, oder durch das Reiben oder Klopfen der Arme, der Brust oder des Bauches, oder, daß der eine sein eigenes Gesicht mit den Händen oder Füßen des andern streichelt. Vielleicht dürfte die Gewohnheit, als ein Zeichen der Zuneigung auf verschiedene Theile des Körpers zu blasen, von demselben Grundsatze abhängen.[2]
- ↑ Sir J. Lubbock gibt in Prehistoric Times, 2. edit., 1869, p. 552, ausführliche Schriftbelege für diese Angaben. Das Citat aus Steele ist diesem Werke entnommen.
- ↑ s. eine ausführliche Schilderung mit Verweisungen bei E. B. Tylor, Researches into the Early History of Mankind. 2. edit., 1870, p. 51.
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/208&oldid=- (Version vom 7.9.2019)