das eine Auge fest schließt, er nicht vermeiden kann, die Oberlippe derselben Seite zurückzuziehen. Wenn man umgekehrt seinen Finger auf sein unteres Augenlid legt und dann seine obern Schneidezähne soweit als möglich sichtbar macht, so wird man fühlen, daß in dem Maße, als die Oberlippe stark nach aufwärts gezogen wird, die Muskeln des untern Augenlides sich zusammenziehen. In Henle's Abbildung, die in dem Holzschnitte Fig. 2 wiedergegeben ist, kann man sehen, daß der Musculus malaris (H), welcher zur Oberlippe hinläuft, einen beinahe integrirenden Theil des untern Theils des kreisförmigen Muskels bildet.
Dr. Duchenne hat eine große Photographie eines alten Mannes (verkleinert auf Tafel III. Fig. 4) in seinem gewöhnlichen passiven Zustande und eine andere von demselben Manne (Fig. 5) natürlich lächelnd, mitgetheilt. Die letztere wurde von Jedem, dem sie gezeigt wurde, als naturwahr wieder erkannt. Er hat auch als Beispiel eines unnatürlichen oder falschen Lächelns eine andere Photographie (Fig. 6) desselben alten Mannes gegeben, wo die Mundwinkel durch Galvanisiren der großen Jochbeinmuskeln stark zurückgezogen sind. Daß der Ausdruck hier nicht natürlich ist, ist offenbar. Ich zeigte diese Photographie vierundzwanzig Personen, von denen drei nicht im Geringsten sagen konnten, was damit gemeint war, während die andern, trotzdem sie wahrnahmen, daß der Ausdruck etwas von der Natur eines Lächelns an sich hatte, in so unbestimmten Worten meine Frage beantworteten, wie „ein schlechter Witz“, ein „Versuch zum Lachen“, „grinsendes Lachen“, „halb erstauntes Lachen“ u. s. w. Dr. Duchenne schreibt das Falsche in dem Ausdrucke durchaus dem zu, daß die Kreismuskeln der untern Augenlider nicht hinreichend zusammengezogen sind; denn er legt bei dem Ausdrucke der Freude mit Recht großes Gewicht auf deren Zusammenziehung. Ohne Zweifel liegt in dieser Ansicht viel Wahres, indeß, wie es mir scheinen möchte, nicht die ganze' Wahrheit. Die Zusammenziehung des untern Theils der Kreismuskeln wird immer, wie wir gesehen haben, von dem Aufwärtsziehen der Oberlippe begleitet. Wäre in Fig. 6 auf die Oberlippe in dieser Weise in einem geringern Grade eingewirkt worden, so würde ihre Krümmung weniger steif, auch die Nasenlippenfalte unbedeutend verschieden und der ganze Ausdruck, wie ich glaube, natürlicher geworden sein, ganz unabhängig von der deutlichen Wirkung der stärkern Zusammenziehung der untern Augenlider. Überdies ist der Augenbrauenrunzler
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/197&oldid=- (Version vom 31.7.2018)