mit nur wenig Ausnahmen, mit Bewunderung erfüllt. Wenn ich aber dieselben ohne Erklärung durchgesehen hätte, so würde ich demungeachtet ohne Zweifel ebenso sehr in manchen Fällen in Verwirrung gerathen sein, wie es andern Personen ergangen ist.
Viertens hatte ich auch gehofft, von den großen Meistern der Malerei und Bildhauerkunst, welche so aufmerksame Beobachter sind, eine große Hülfe zu erhalten. Ich habe daher Photographien und Kupferstiche vieler allgemein bekannter Kunstwerke genau betrachtet, habe aber, mit wenig Ausnahmen, dadurch keinen Vortheil erlangt. Der Grund hiervon ist ohne Zweifel der, daß bei Werken der Kunst die Schönheit das hauptsächlichste, oberste Ziel ist; und stark contrahirte Gesichtsmuskeln zerstören die Schönheit.[1] Die der Composition zum Ausgangspunkte dienende Geschichte wird meistens durch geschickt angebrachte Nebendinge mit wunderbarer Kraft zur Darstellung und zum Ausdrucke gebracht.
Fünftens schien es mir von großer Bedeutung zu sein, zu ermitteln, ob dieselben Weisen des Ausdrucks, dieselben Geberden bei allen Menschenrassen, besonders bei denjenigen, welche nur wenig mit Europäern in gesellige Berührung gekommen sind, vorkommen, wie so oft ohne viele Belege zu geben behauptet worden ist. Wenn nur immer dieselben Bewegungen der Gesichtszüge oder des Körpers bei mehreren verschiedenen Rassen des Menschen dieselben Seelenbewegungen ausdrücken, so können wir mit großer Wahrscheinlichkeit folgern, daß derartige Ausdrucksarten echte sind, d. h. daß sie angeborne oder instinctive sind. Conventionelle Ausdrucksformen oder Geberden, welche das Individuum während der ersten Zeit seines Lebens sich aneignet, dürften wahrscheinlich bei den verschiedenen Rassen in derselben Weise von einander verschieden gewesen sein, wie deren Sprachen es sind. In Folge dessen vertheilte ich, zeitig im Jahre 1867, die folgenden Fragen gedruckt mit der Aufforderung, welcher auch vollständig entsprochen worden ist, daß man sich nur auf wirkliche Beobachtungen, nicht auf das Gedächtnis verlassen möge. Diese Fragen wurden nach dem Verlaufe einer beträchtlich langen Zeit seit meiner ersten Beschäftigung mit dem Gegenstande niedergeschrieben, innerhalb deren meine Aufmerksamkeit nach einer andern Richtung hin in Anspruch genommen war; und ich sehe jetzt,
- ↑ s. Bemerkungen hierüber in Lessing's Laokoon.
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)