und welche bei weinerlichen Kindern so auffallend ist, ist häufig bei diesen Patienten deutlich ausgesprochen.
Obgleich bei geisteskranken Personen die Gram-Muskeln häufig in beständiger Thätigkeit sind, so werden sie doch in gewöhnlichen Fällen zuweilen unbewußt durch lächerlich unbedeutende Veranlassungen in momentane Thätigkeit gebracht. Ein Herr machte einer jungen Dame als Belohnung ein widersinnig kleines Geschenk; sie gab vor, beleidigt zu sein, und als sie ihm Vorwürfe machte, nahmen ihre Augenbrauen eine äußerst schräge Stellung an, wobei die Stirn die gehörigen Falten bekam. Eine andere junge Dame und ein junger Mann, beide in ausgelassener Laune, sprachen eifrigst mit außerordentlicher Geschwindigkeit auf einander los; dabei bemerkte ich, daß, so oft die junge Dame besiegt wurde und ihre Worte nicht schnell genug hervorbringen konnte, ihre Augenbrauen schräg nach oben gezogen wurden, wobei sich dann rechtwinklige Furchen auf ihrer Stirn bildeten. Gewissermaßen hißte sie in dieser Weise jedesmal die Nothflagge; sie that dies ungefähr ein halbes Dutzend Mal im Laufe weniger Minuten. Ich machte weiter keine Bemerkung über die Sache; bei einer andern Gelegenheit aber bat ich sie, ihre Gram-Muskeln in Thätigkeit zu setzen; ein anderes junges Mädchen, welches dabei war und dies willkürlich thun konnte, zeigte ihr, was dadurch beabsichtigt werde. Sie versuchte es nun wiederholt, doch mislang es ihr vollständig. Und dennoch war eine so unbedeutende Veranlassung zur Trauer, wie das Gefühl nicht im Stande zu sein schnell genug zu sprechen, hinreichend, diese Muskeln immer und immer wieder in energische Thätigkeit zu versetzen.
Der durch die Zusammenziehung der Gram-Muskeln hervorgerufene Ausdruck des Grams oder Kummers ist durchaus nicht auf Europäer beschränkt, scheint vielmehr allen Menschenrassen gemeinsam zuzukommen. Ich habe wenigstens glaubwürdige Schilderungen erhalten in Bezug auf das Vorkommen desselben bei den Hindus, den Dhangars (einem der ursprünglichen Bergstämme von Indien, folglich zu einer ganz andern Rasse gehörig als die Hindus), den Malayen, Negern und Australiern. Was die letztern betrifft, so beantworteten zwei Beobachter meine Fragen bejahend, gehen aber in keine Einzelnheiten ein. Doch fügt Mr. Taplin meinen beschreibenden Bemerkungen die Worte hinzu: „dies ist genau zutreffend“. Was die Neger anlangt, so beobachtete die Dame, welche Fra Angelico's Gemälde gegen mich erwähnte,
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/179&oldid=- (Version vom 31.7.2018)