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gegeben hat; der Held wird hier aber beschrieben, als zöge er seine Stirn bei einer jeden starken Gemüthserregung in eine hufeisenförmige Figur zusammen. Ich habe auch eine junge Frau gesehen, deren Stirn beinahe gewohnheitsgemäß in dieser Weise zusammengezogen zu sein schien, unabhängig von irgend einer während der Zeit gefühlten Erregung.

Die Gram-Muskeln werden nicht sehr häufig in's Spiel gebracht; da ferner ihre Thätigkeit oft nur momentan ist, so entzieht sie sich leicht der Beobachtung. Obgleich die Ausdrucksform, wenn sie zur Beobachtung kommt, ganz allgemein und augenblicklich als die des Kummers oder der Sorgen erkannt wird, so ist doch nicht eine Person unter einem Tausend, wenn sie den Gegenstand nicht eingehend studirt hat, im Stande, genau anzugeben, was für eine Veränderung an dem Gesichte des Leidenden vorgeht. Wahrscheinlich liegt hierin der Grund dafür, daß diese Ausdrucksform, soviel ich bemerkt habe, in keinem Werke der Dichtung, auch nicht einmal beiläufig, erwähnt wird, mit Ausnahme des „Red Gauntlet“ und einem einzigen andern Romane; es gehört aber die Verfasserin des letzten, wie mir gesagt worden ist, zu der oben erwähnten berühmten Familie von Schauspielern, so daß ihre Aufmerksamkeit vielleicht speciell auf diesen Gegenstand hingelenkt worden ist.

Die alten griechischen Bildhauer waren mit dieser Ausdrucksform wohl bekannt, wie es an den Statuen des Laokoon und des Schleifers zu sehen ist; wie aber Duchenne bemerkt, verlängerten sie die queren Furchen auf der Stirn über deren ganze Breite und begiengen damit einen großen anatomischen Fehler; auch ist dies bei einigen modernen Statuen gleicherweise der Fall. Jene wunderbar sorgfältigen Beobachter haben indessen wahrscheinlicherweise eher mit Absicht die Wahrheit zum Zwecke der Schönheit geopfert, als daß sie einen Fehler gemacht hätten; denn rechtwinklige Furchen auf der Stirn würden am Marmor keinen großartigen Anblick dargeboten haben. So viel ich ausfindig machen kann, wird diese Ausdrucksform in ihrem vollständig entwickelten Zustande nicht oft von den alten Meistern auf Gemälden dargestellt, ohne Zweifel aus derselben Ursache. Doch theilt mir eine Dame, welche mit dieser Ausdrucksform vollkommen vertraut ist, mit, daß sie in Fra Angelico's Abnahme vom Kreuz in Florenz ganz deutlich von einer der Personen rechter Hand dargeboten wird; ich selbst könnte noch einige wenige andere Beispiele hinzufügen.


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/177&oldid=- (Version vom 31.7.2018)