Seite:DarwinAusdruck.djvu/166

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Bedingungen eintreten, irgend ein Theil der Handlung oder der Bewegung, welche am wenigsten unter der Controle des Willens steht, häufig noch immer unwillkürlich vollzogen werden. Die Absonderung aus einer Drüse ist merkwürdig frei von dem Einflusse des Willens. Wenn daher mit dem fortschreitenden Alter des Individuums oder mit der fortschreitenden Cultur der Rasse die Gewohnheit des Aufweinens oder Schreiens unterdrückt wird und folglich auch keine Ausdehnung der Blutgefäße des Auges eintritt, so kann es nichtsdestoweniger ganz gut sich ereignen, daß Thränen noch immer abgesondert werden.

Wir können, wie vor Kurzem erst bemerkt wurde, die Muskeln rings um das Auge bei einer Person, welche eine traurige Geschichte liest, zwinkern oder in einem so unbedeutenden Grade zittern sehen, daß es kaum nachzuweisen ist. In diesem Falle ist kein Aufschrei und keine Ausdehnung der Blutgefäße eingetreten und doch senden in Folge der Gewohnheit gewisse Nervenzellen einen geringen Betrag von Nervenkraft nach den Zellen hin, welche die Muskeln rings um's Auge beherrschen. Diese wiederum überliefern etwas davon an die Zellen, welche die Thränendrüsen beeinflussen; denn häufig werden die Augen zu gleicher Zeit eben mit Thränen angefeuchtet. Wenn das Zittern der Muskeln rund um das Auge und die Absonderung von Thränen vollständig aufgehalten worden ist, so ist es nichtsdestoweniger beinahe sicher, daß eine gewisse Neigung doch noch immer vorhanden gewesen ist, Nervenkraft in diesen selben Richtungen ausstrahlen zu lassen; und da die Thränendrüsen merkwürdig frei von der Controle des Willens sind, so werden sie in außerordentlichem Grade dem ausgesetzt sein, noch immer in Thätigkeit zu treten und uns dadurch, trotzdem keine äußern Zeichen sichtbar werden, doch die traurigen Gedanken zu offenbaren, welche durch die Seele der Person ziehen.

Als eine weitere Erläuterung der hier entwickelten Ansichten kann ich noch bemerken, daß, wenn während einer frühen Lebensperiode, wo Gewohnheiten aller Arten sich leicht festsetzen, unsere Kinder daran gewöhnt worden wären, im Gefühle des Vergnügens lautes schallendes Gelächter auszustoßen (während welches die Gefäße der Augen ausgedehnt werden) und zwar eben so häufig und so anhaltend, wie sie der Gewohnheit der Schreianfälle nachgegeben haben, wenn sie sich unglücklich fühlen, sie wahrscheinlicherweise im spätern Leben Thränen so reichlich und so regelmäßig in dem einen Gemüthszustande

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/166&oldid=- (Version vom 31.7.2018)