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Es ist schwer, eine Vermuthung darüber aufzustellen, auf welche Weise viele Reflexthätigkeiten entstanden sind. Aber in Bezug auf den vorliegenden Fall der Affection der Thränendrüsen durch Reizung der Oberfläche des Auges dürfte es der Bemerkung werth sein, daß, sobald irgend eine uranfängliche Thierform in ihrer Lebensweise halb auf das Leben auf dem Lande angewiesen und nun dem ausgesetzt wurde, Staubtheilchen in ihre Augen zu bekommen, diese, wenn sie nicht weggewaschen wurden, eine bedeutende Reizung verursacht haben werden; und nach dem Principe der Ausstrahlung von Nervenkraft an benachbarte Nervenzellen werden die Thränendrüsen zur Absonderung gereizt worden sein. Da dies oft wiedergekehrt sein wird und Nervenkraft leicht gewohnten Bahnen entlang ausstrahlt, so wird zuletzt eine geringe Reizung genügen, eine reichliche Thränenabsonderung zu verursachen.

Sobald durch dieses oder irgend ein anderes Mittel eine Reflexthätigkeit dieser Art hergestellt und leicht gemacht worden ist, werden andere auf die Oberfläche des Auges angewandte Reizmittel, so z. B. ein kalter Wind, langsame entzündliche Reizung oder ein Schlag auf das Augenlid eine reichliche Absonderung von Thränen verursachen, wie es ja bekanntlich der Fall ist. Die Drüsen werden auch durch die Reizung benachbarter Theile zur Thätigkeit gereizt. So werden, wenn die Nasenhöhlen durch stechende Dämpfe gereizt werden, wenn auch die Augenlider fest geschlossen gehalten werden, doch Thränen reichlich abgesondert, und dies tritt auch ein in Folge eines Schlages auf die Nase z. B. mit einem Boxerhandschuh. Ein stechender Peitschenschlag auf das Gesicht ruft, wie ich gesehen habe, dieselbe Wirkung hervor. In diesen letztern Fällen ist die Absonderung von Thränen nur ein zufällig begleitendes Resultat und von keinem directen Nutzen. Da alle diese Theile des Gesichts mit Einschluß der Thränendrüsen mit Zweigen desselben Nerven versehen werden, nämlich des fünften Paares, so ist es in einem gewissen Grade zu verstehen, warum die Wirkungen der Reizung irgend eines Zweiges auf die Nervenzellen oder Wurzeln der andern Zweige sich verbreiten.

Die inneren Theile des Auges wirken gleichfalls unter gewissen Bedingungen in einer reflectorischen Weise auf die Thränendrüsen. Mr. Bowman hat mir freundlichst die folgende Angabe mitgetheilt. Der Gegenstand ist aber ein sehr verwickelter, da alle Theile des Auges in so inniger Beziehung zu einander stehen und für verschiedene


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/162&oldid=- (Version vom 31.7.2018)