Erstaunen, Schreck. — Eine lebendige Süßwasserschildkröte wurde auf meine Bitte in einen und denselben Behälter mit vielen Affen im zoologischen Garten gestellt. Sie zeigten grenzenloses Erstaunen, einige auch Furcht. Dies zeigte sich dadurch, daß sie bewegungslos und mit weit geöffneten Augen starr herabblickend dasaßen und ihre Augenbrauen oft auf und nieder bewegten. Das Gesicht schien etwas verlängert zu sein. Sie erhoben sich etwas auf ihren Hinterbeinen, um einen noch besseren Blick zu gewinnen; auch zogen sie sich häufig wenige Fuß zurück und wendeten dann ihren Kopf über die eine Schulter, wieder starr herunterblickend. Es war merkwürdig zu beobachten, wie viel weniger sie sich vor der Schildkröte fürchteten als vor der lebendigen Schlange, welche ich früher einmal in ihren Behälter gethan hatte;[1] denn im Laufe weniger Minuten wagten einige der Affen sich in die Nähe, um die Schildkröte zu berühren. Auf der anderen Seite waren einige der größeren Paviane bedeutend erschreckt und grinsten, als wären sie im Begriff, laut aufzuschreien. Als ich eine kleine angezogene Puppe dem Cynopithecus niger zeigte, stand er bewegungslos da, starrte intensiv mit weit geöffneten Augen darauf hin und bewegte seine Ohren ein wenig vorwärts. Als aber die Schildkröte in seinen Käfig gebracht wurde, bewegte auch dieser Affe seine Lippen in einer merkwürdigen schnell schnatternden Weise, von welcher der Wärter meinte, es solle die Schildkröte versöhnen und ihr gefallen.
Ich bin niemals im Stande gewesen, deutlich wahrzunehmen, daß die Augenbrauen erstaunter Affen permanent in die Höhe erhoben gehalten werden, obschon sie häufig auf und nieder bewegt wurden. Aufmerksamkeit, welche dem Erstaunen vorausgeht, wird vom Menschen durch ein leichtes Erheben der Augenbrauen ausgedrückt. Dr. Duchenne theilt mir mit, daß, wenn er dem früher erwähnten Affen einige vollständig neue Eßwaaren gab, er seine Augenbrauen ein wenig in die Höhe hob und hierdurch das Ansehen größerer Aufmerksamkeit erhielt. Dann nahm er die Speise in seine Finger und kratzte, beroch und untersuchte sie mit herabgesenkten oder geradlinigen Augenbrauen, wodurch sich ein Ausdruck der Überlegung darstellte. Zuweilen warf er seinen Kopf ein wenig zurück, untersuchte dann mit plötzlich
- ↑ Abstammung des Menschen. 3. Aufl. Bd. 1. S. 93.
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/138&oldid=- (Version vom 31.7.2018)