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Gegenden bewohnen, von einer dicken Schicht von Thran umgeben sind, welche demselben Zwecke dient, wie der Pelz der Seehunde und Ottern. Elephanten und Rhinocerosse sind fast haarlos, und da gewisse ausgestorbene Arten, welche einstmals unter einem arctischen Clima lebten, mit langen Haaren oder Wolle bedeckt waren, so dürfte es fast scheinen, als wenn die jetzt lebenden Arten beider Gattungen ihre Haarbedeckung dadurch verloren hätten, dass sie lange Zeit der Hitze ausgesetzt waren. Dies erscheint um so wahrscheinlicher, als diejenigen Elephanten in Indien, welche in höher gelegenen und kälteren Districten leben, mehr Haare haben[1] als die in den Niederungen. Dürfen wir dann wohl schliessen, dass der Mensch von Haaren entblösst wurde, weil er ursprünglich irgend ein tropisches Land bewohnt hat? Die Thatsache, dass er Haare hauptsächlich im männlichen Geschlecht an der Brust und im Gesicht, und in beiden Geschlechtern an der Verbindung aller vier Gliedmaassen mit dem Rumpfe behalten hat, begünstigt jene Folgerung, unter der Annahme freilich, dass das Haar verloren wurde, ehe der Mensch die aufrechte Stellung erlangt hatte; denn die Theile, welche jetzt die meisten Haare behalten haben, würden dann am meisten gegen die Hitze der Sonne geschützt gewesen sein. Die Schädelhöhe bildet indess eine merkwürdige Ausnahme dar; denn zu allen Zeiten muss sie einer der am meisten exponirten Theile gewesen sein, und doch ist sie dicht mit Haaren bedeckt. Die Thatsache indessen, dass die andern Glieder der Ordnung der Primaten, zu welcher der Mensch gehört, trotzdem sie verschiedene heisse Gegenden bewohnen, doch mit Haaren, und zwar im Allgemeinen auf der oberen Fläche am dichtesten,[2] bekleidet sind, steht mit der Annahme in Widerspruch, dass der Mensch in Folge der Einwirkung der Sonne nackt wurde. Mr. Belt ist der Ansicht,[3] dass es innerhalb der Tropen


  1. Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p. 619.
  2. Isidore Geoffroy St. Hilaire gibt in der Histoire natur. génér. Tom. II. 1859, p. 216—217 Bemerkungen über das Behaartsein des Kopfes beim Menschen, ebenso über den Umstand, dass die obere Körperfläche bei Affen und anderen Säugethieren dichter mit Haaren bekleidet ist, als die untere. Dies ist auch von verschiedenen anderen Autoren erwähnt worden. Doch führt Prof. Gervais (Hist. natur. des Mammifères. Tom. I. 1854, p. 28) an, dass beim Gorilla das Haar am Rücken dünner sei, als an der unteren Fläche, da es oben theilweise abgerieben werde.
  3. The Naturalist in Nicaragua. 1874, p. 209. Als eine Bestätigung der Ansicht Mr. Belt's will ich eine Stelle aus Sir W. Denison's Varieties of Vice-Regal
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/87&oldid=- (Version vom 31.7.2018)