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Merkmale bildet. Der Mensch hätte seine jetzige herrschende Stellung in der Welt nicht ohne den Gebrauch seiner Hände erreichen können, welche so wunderbar geeignet sind, seinem Willen folgend thätig zu sein. Wie Sir C. Bell betont:[1] „die Hand ersetzt alle Instrumente und durch ihre Uebereinstimmung mit dem Intellect verleiht sie ihm universelle Herrschaft“. Die Hände und Arme hätten aber kaum hinreichend vollkommen werden können, Waffen zu fabriciren oder Steine und Speere nach einem bestimmten Ziele zu werfen, solange sie gewohnheitsgemäss zur Locomotion benutzt worden wären, wobei sie das ganze Gewicht des Körpers zu tragen hätten, oder solange sie speciell, wie vorher schon bemerkt wurde, zum Erklettern von Bäumen angepasst wären. Eine derartige rohe Behandlung würde auch den Gefühlssinn abgestumpft haben, von dem ihr fernerer Gebrauch zum grossen Theil abhängt. Schon aus diesen Ursachen allein wird es ein Vortheil für den Menschen gewesen sein, dass er ein Zweifüsser geworden ist; aber für viele Handlungen ist es unentbehrlich, dass beide Arme und der ganze obere Theil des Körpers frei seien, und zu diesem Zweck musste er fest auf seinen Füssen stehen. Um diesen grossen Vortheil zu erlangen, sind die Füsse platt geworden und ist die grosse Zehe eigenthümlich modificirt, obgleich dies den Verlust der Fähigkeit zum Greifen mit sich gebracht hat. Es ist in Uebereinstimmung mit dem Princip der physiologischen Arbeitstheilung, welches durch das ganze Thierreich herrscht, dass in dem Maasse, als die Hände zum Greifen vervollkommnet wurden, die Füsse sich mehr zum Tragen und zur Locomotion ausbildeten. Doch haben bei einigen Wilden die Füsse ihr Greifvermögen nicht vollständig verloren, wie durch die Art des Erkletterns von Bäumen und durch den Gebrauch, der in verschiedener Weise von ihnen gemacht wird, bewiesen wird.[2] War es ein Vortheil für den Menschen, seine Hände und Arme frei zu haben und fest auf seinen Füssen zu stehen, woran sich nach seinem so ausgezeichneten Erfolge in dem Kampfe um's Dasein nicht


  1. The Hand, its mechanism etc. „Bridgewater Treatise“. 1833, p. 38.
  2. Häckel erörtert in ausgezeichneter Weise die Schritte, durch welche der Mensch ein Zweifüsser wurde: Natürliche Schöpfungsgeschichte, 1868, p. 507. Dr. Büchner (Vorlesungen über die Darwinsche Theorie. 1868, S. 195) hat eine Anzahl von Fällen, wo der Fuss vom Menschen als Greiforgan gebraucht wird, gegeben; ebenso über die Bewegungsweise der höheren Affen, welche ich im nächstfolgenden Satze erwähne. Ueber den letzten Punkt s. auch Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III. p. 71.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/80&oldid=- (Version vom 31.7.2018)