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an,[1] welches bei einigen Quadrumanen und andern Säugethieren normal aus zwei Theilen besteht. Dies ist sein Zustand im zweimonatlichen menschlichen Fötus; und so bleibt es zuweilen in Folge von Entwickelungshemmung beim erwachsenen Menschen und besonders bei den niederen prognathen Rassen. Hieraus schliesst Canestrini, dass bei irgend einem frühern Urerzeuger des Menschen dieser Knochen normal in zwei Theile getheilt gewesen sein muss, welche später mit einander verschmolzen sind. Beim Menschen besteht das Stirnbein aus einem einzigen Stück, aber im Embryo und bei Kindern und bei fast allen niederen Säugethieren besteht es aus zwei durch eine deutliche Naht getrennten Stücken. Diese Naht bleibt gelegentlich mehr oder weniger deutlich beim Menschen noch nach der Reifeperiode bestehen und findet sich häufiger bei alten als bei neuen Schädeln und besonders, wie Canestrini beobachtet hat, bei den aus der Driftformation ausgegrabenen und zum brachycephalen Typus gehörigen Schädeln. Auch hier gelangt er wieder zu demselben Schluss, wie bei dem analogen Falle vom Wangenbein. Bei diesen und andern sofort zu gebenden Beispielen scheint die Ursache der Thatsache, dass ältere Rassen niederen Thieren in gewissen Merkmalen sich häufiger annähern, als es neuere Rassen thun, die zu sein, dass die letzteren durch einen etwas grösseren Abstand in der langen Descendenzreihe von ihren früheren halbmenschlichen Vorfahren getrennt sind.

Verschiedene andere Anomalien beim Menschen, welche den vorstehenden mehr oder weniger analog sind, sind von verschiedenen Schriftstellern als Fälle von Rückschlag aufgeführt worden; doch scheinen


  1. Annuario della Soc. dei Naturalisti in Modena. 1867, p. 83. Prof. Canestrini gibt Auszüge aus verschiedenen Autoren über diesen Gegenstand. Laurillard bemerkt, dass er in der Form, den Proportionen und der Verbindung der beiden Wangenbeine bei mehreren menschlichen Körpern und gewissen Affen eine vollständige Aehnlichkeit gefunden habe und dass er diese Anordnung der Theile nicht als einen blossen Zufall zu betrachten vermöge. Einen andern Aufsatz über dieselbe Anomalie hat Dr. Saviotti in der „Gazetta delle Cliniche“, Turin, 1871, veröffentlicht, wo er angibt, dass sich Spuren der Theilung in ungefähr 2 % erwachsener Schädel nachweisen lassen; er bemerkt auch, dass sie häufiger in prognathen, nicht-arischen Schädeln vorkomme als in anderen, s. auch G. Delorenzi über denselben Gegenstand: „Tre nuovi casi d’anomalia dell’ osso malare", Torino, 1872. Auch E. Morselli, Sopra una rara anomalia dell’ osso malare. Modena, 1872. Noch neuerlicher hat Gruber eine Brochure über die Theilung dieses Knochens geschrieben. Ich führe diese Citate hier an, weil ein Kritiker ohne Grund und ohne Bedenken meine Angaben bezweifelt hat.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/64&oldid=- (Version vom 31.7.2018)