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eines so beschränkten Gebiets wie der Sandwichsinseln.[1] Ein ausgezeichneter Zahnarzt versicherte mich, dass die Zähne fast ebenso viele Verschiedenheiten darbieten als die Gesichtszüge. Die Hauptarterien haben so häufig einen abnormen Verlauf, dass man es zu chirurgischen Zwecken für nützlich erkannt hat, aus 1040 Leichen zu berechnen, wie oft jede Verlaufsart vorkommt.[2] Die Muskeln sind ausserordentlich variabel; so fand Professor Turner,[3] dass die des Fusses in zwei unter 50 Leichen nicht einander genau gleich sind, und bei einigen waren die Abweichungen beträchtlich. Professor Turner fügt noch hinzu, dass die Fähigkeit, die passenden Bewegungen auszuführen, in Uebereinstimmung mit den verschiedenen Abweichungen modificirt sein muss. Mr. J. Wood hat das Vorkommen von 295 Muskel-Varietäten an sechsunddreissig Leichen mitgetheilt[4] und bei einer andern Reihe von derselben Zahl nicht weniger als 558 Varietäten, die an beiden Seiten des Körpers vorkommenden für eine gerechnet. Bei der letzten Reihe fehlen nicht an einem einzigen Körper unter den sechsunddreissig „Abweichungen von den gültigen Beschreibungen des Muskelsystems, welche die anatomischen Handbücher geben, vollständig." Eine einzige Leiche bot die ausserordentliche Zahl von fünfundzwanzig verschiedenen Abnormitäten dar. Derselbe Muskel variirt zuweilen auf vielerlei Weise: so beschreibt Professor Macalister[5] nicht weniger als zwanzig verschiedene Abweichungen an dem Palmaris accessorius.

Der alte berühmte Anatom Wolff[6] hebt hervor, dass die inneren Eingeweide variabler sind als die äusseren Theile: „Nulla particula est, quae non aliter et aliter in aliis se habeat hominibus“. Er hat selbst eine Abhandlung über die Auswahl typischer Exemplare der Eingeweide zu deren Darstellung geschrieben. Eine Erörterung über das ideal Schöne der Leber, Lungen, Nieren u. s. w., als wenn es über das des


  1. In Bezug auf die Schädelform der Eingeborenen von Nord-Amerika s. Dr. Aitken Meigs in: Proceed. Acad. Natur. Sc. Philadelphia. May 1866. Ueber die Australier s. Huxley in Lyell, Alter des Menschengeschlechts. 1863, S. 51. Ueber die Sandwichsinsulaner: Prof. J. Wyman, Observations on Crania. Boston, 1868, p. 18.
  2. Anatomy of the Arteries von R. Quain. Vorrede, Vol. I. 1844.
  3. Transact. Roy. Soc. Edinburgh. Vol. XXIV. p. 175, 189.
  4. Proceed. Roy. Soc. 1867, p. 544, auch 1868, p. 483, 524; ebenso ein früherer Aufsatz 1866. p. 229.
  5. Proceed. Roy. Irish Academy. Vol. X. 1868, p. 141.
  6. Acta Acad. Petropolit. 1778. Ps. II. p. 217.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1878, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/48&oldid=- (Version vom 31.7.2018)