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gewöhnlichen Färbung der Gruppen, zu denen sie gehören, abweichen, ist es klar, dass die Letzteren die nachahmenden und die Heliconiden die nachgeahmten sind. Mr. Bates bemerkte ferner, dass die nachahmenden Species vergleichsweise selten sind, während die nachgeahmten in grossen Zahlen umherschwärmen, und dass die beiden Formen durcheinandergemischt leben. Aus der Thatsache, dass die Heliconiden in die Augen fallende und schöne Insecten, aber sowohl den Individuen als den Arten nach so zahlreich sind, folgerte er, dass sie gegen die Angriffe der Vögel durch irgend eine Absonderung oder einen Geruch geschützt sein müssten, und diese Folgerung ist jetzt in ausgedehnter Weise besonders durch Mr. Belt bestätigt worden.[1] Hieraus schloss nun Mr. Bates ferner, dass die Schmetterlinge, welche die geschützten Species nachahmen, ihre jetzige wunderbar täuschende Erscheinung durch Abänderung und natürliche Zuchtwahl erlangt haben, mit der Absicht, für die geschützten Arten gehalten zu werden und dadurch dem Gefressenwerden zu entgehen. Eine Erklärung der brillanten Farben der nachgeahmten Schmetterlinge wird hier nicht zu geben versucht, nur eine Erklärung der Färbung der nachahmenden. Die Farben der Ersteren müssen wir in derselben allgemeinen Weise uns erklären wie in den früheren in diesem Capitel erörterten Fällen. Seit der Veröffentlichung des Aufsatzes von Mr. Bates sind ähnliche und in gleicher Weise auffallende Thatsachen von Mr. Wallace in der malayischen Provinz, von Mr. Trimen in Südafrica und von Mr. Riley in den Vereinigten Staaten beobachtet worden.[2]

Da mehrere Schriftsteller es für sehr schwierig gehalten haben einzusehen, wie die ersten Schritte in dem Processe der Nachäffung durch natürliche Zuchtwahl hätten geschehen können, so dürfte die Bemerkung wohl zweckmässig sein, dass der Process wahrscheinlich vor langer Zeit bei Formen seinen Anfang nahm, welche in der Färbung einander nicht sehr unähnlich waren. In diesem Falle wird selbst eine geringe Abänderung von Vortheil sein, wenn die eine Species dadurch der andern gleicher gemacht wird; später kann die nachgeahmte


  1. Proceed. Entomolog. Soc., 3. Dec. 1866, p. XLV.
  2. Wallace, in: Transact. Linnean Soc. Vol. XXV. 1865, p. 1; auch in: Transact. Entomolog. Soc. 3. Serie.. Vol. IV. 1867, p. 301. Trimen, in: Linn. Transact Vol. 26, 1869, p. 497. Riley, Third Annual Report on the Noxious Insects of Missouri, 1871, p. 163–168. Dieser letzte Aufsatz ist werthvoll, da Mr. Riley hier alle die Einwürfe erörtert, die gegen Mr. Bates’ Theorie erhoben worden sind.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/437&oldid=- (Version vom 31.7.2018)