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und in England gesagt haben. Dr. Wallace, welcher in Bezug auf die Züchtung von Bombyx Cynthia grosse Erfahrung hat, ist der Ueberzeugung, dass die Weibchen keine Wahl oder keine Vorliebe zeigen. Er hat über dreihundert von diesen Spinnern lebend zusammengehalten und hat oft die kräftigsten Weibchen mit verstümmelten Männchen sich paaren sehen. Wie es scheint, kommt das Umgekehrte selten vor. Denn wie er glaubt gehen die kräftigen Männchen bei den schwächlichen Weibchen vorüber und werden mehr von denen angezogen, welche die meiste Lebenskraft darbieten. Trotzdem die Bombyciden dunkel gefärbt sind, erscheinen sie nichtsdestoweniger wegen ihrer eleganten und bunten Schattirungen unserem Auge für schön.

Ich habe bis jetzt nur die Arten erwähnt, bei denen die Männchen heller gefärbt sind als die Weibchen, und habe ihre Schönheit dem Umstände zugeschrieben, dass viele Generationen hindurch die Weibchen die anziehenderen Männchen gewählt haben. Es kommen aber auch, wenn schon selten, umgekehrte Fälle vor, wo die Weibchen brillanter sind als die Männchen; hier haben, wie ich glaube, die Männchen die schöneren Weibchen gewählt und haben dadurch langsam deren Schönheit erhöht. Wir wissen nicht, warum in verschiedenen Classen des Thierreichs die Männchen einiger wenigen Species die schöneren Weibchen erwählt haben, statt mit Freuden irgend ein Weibchen zu nehmen, was im Thierreich die allgemeine Regel zu sein scheint; wenn aber, im Gegensatz zu dem, was allgemein bei den Lepidoptern der Fall ist, die Weibchen zahlreicher wären als die Männchen, so würden wahrscheinlich die letzteren die schöneren Weibchen aussuchen. Mr. Butler zeigte mir mehrere Arten von Callidryas im British Museum; bei einigen glichen die Weibchen den Männchen an Schönheit, bei andern übertrafen sie dieselben bedeutend; denn nur die Weibchen haben die Flügelränder mit Carmoisin und Orange unterlaufen und mit Schwarz gefleckt. Die einfachen Männchen dieser Arten gleichen einander sehr und zeigen damit, dass hier die Weibchen modificirt worden sind, während in den Fällen, wo die Männchen die geschmückteren sind, diese modificirt sind und die Weibchen einander fast gleich bleiben.

In England haben wir einige analoge, wenn schon nicht so ausgesprochene Fälle. Nur die Weibchen zweier Arten von Theda haben einen hellpurpurnen oder Orange-Fleck auf den Vorderflügeln. Bei Hipparchia sind die Geschlechter nicht sehr verschieden; es ist aber


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/430&oldid=- (Version vom 31.7.2018)