Schmetterlinge in dem malayischen Archipel zu sammeln, und gibt an, dass „ein auf einen auffallend vorspringenden Zweig gestecktes todtes Exemplar oft ein Insect derselben Species in seinem stürmischen Fluge aufhält und in den Bereich des Netzes herabbringt, besonders wenn es dem andern Geschlechte angehört“.
Die Werbung der beiden Geschlechter bei Schmetterlingen ist, wie schon bemerkt wurde, eine langwierige Angelegenheit. Die Männchen kämpfen zuweilen aus Eifersucht mit einander und man sieht oft, wie viele um ein und dasselbe Weibchen herumjagen oder sich um dasselbe versammeln. Wenn nun die Weibchen nicht ein Männchen dem andern vorziehen, so muss die Paarung dem blossen Zufalle überlassen sein, und dies scheint mir durchaus nicht der wahrscheinliche Ausgang zu sein. Wenn auf der andern Seite die Weibchen gewöhnlich, oder selbst nur gelegentlich, die schöneren Männchen vorziehen, so werden die Farben der letzteren gradweise glänzender geworden sein und werden auf beide Geschlechter oder nur auf ein Geschlecht vererbt worden sein je nach dem gerade vorherrschenden Gesetze der Vererbung. Sind die Schlussfolgerungen, zu denen wir aus verschiedenen Arten von Belegen in dem Anhange zum neunten Capitel gelangt sind, zuverlässig, so wird der Process der geschlechtlichen Zuchtwahl durch einen Umstand sehr erleichtert worden sein, nämlich dadurch dass die Männchen vieler Lepidoptern, wenigstens im Imagozustande, die Weibchen bedeutend an Zahl übertreffen.
Einige Thatsachen stehen indessen der Annahme, dass weibliche Schmetterlinge die schöneren Männchen vorziehen, entgegen. So ist mir von mehreren Beobachtern versichert worden, dass frische Weibchen häufig in der Paarung mit abgeflogenen, abgeblassten oder schmutzigen Männchen zu sehen sind. Doch ist dies ein Umstand, welcher in vielen Fällen kaum ausbleiben kann, da die Männchen zeitiger aus ihren Puppenhüllen ausschlüpfen als die Weibchen. Bei Nachtschmetterlingen aus der Familie der Bombyciden paaren sich die Geschlechter unmittelbar nachdem sie die Form des Imago angenommen haben; denn wegen des rudimentären Zustands ihrer Mundorgane können sie sich nicht ernähren. Wie mir mehrere Entomologen bemerkt haben, befinden sich die Weibchen in einem fast torpiden Zustande und scheinen auch nicht die mindeste Wahl in Bezug auf ihre Genossen zu äussern. Dies ist mit dem gemeinen Seidenschmetterling (Bombyx mori) der Fall, wie mir mehrere Züchter vom Continente
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/429&oldid=- (Version vom 31.7.2018)