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lebenden Arten. Einige wenige Ausnahmsfälle von glänzend gefärbten Nachtfliegern sind indessen beschrieben worden.[1]

Wir haben auch noch einen Beweis anderer Art in Bezug auf diese Entfaltung. Wie vorhin erwähnt erheben die Tagschmetterlinge ihre Flügel im Ruhezustande; und während sie im Sonnenscheine ausruhen, erheben sie oft abwechselnd die Flügel und lassen sie wieder sinken, wodurch sie beide Oberflächen vollständig dem Blicke aussetzen; obschon nun die untere Fläche oft als Schutzmittel in einer dunklen Weise gefärbt ist, so ist sie doch in vielen Species ebenso glänzend gefärbt als die Oberfläche, zuweilen auch in einer sehr verschiedenen Weise. Bei einigen tropischen Species ist die untere Fläche selbst noch brillanter gefärbt als die obere.[2] Bei dem grossen Perlmutterfalter, der Argynnis aglaia, ist nur die untere Fläche mit glänzenden Silberflecken verziert. Nichtsdestoweniger ist der allgemeinen Regel nach die obere Fläche, welche wahrscheinlich die vollständiger exponirte ist, glänzender und in einer verschiedenartigeren Weise gefärbt als die untere. Es bietet daher die untere Fläche im Allgemeinen den Entomologen die nützlichsten Merkmale dar zum Auffinden der Verwandtschaften der verschiedenen Arten. Fritz Müller theilt mir mit, dass in der Nähe seines Hauses in Südbrasilien drei Arten von Castnia gefunden werden; bei zweien von ihnen sind die Hinterflügel dunkel und stets von den Vorderflügeln bedeckt, wenn diese Schmetterlinge ruhen. Die dritte Art aber hat schwarze, schön mit Roth und Weiss gefleckte Hinterflügel, und diese werden vollständig ausgebreitet und entfaltet, sobald nur immer der Schmetterling ruht. Es könnten noch andere derartige Fälle hinzugefügt werden.

Wenn wir uns nun zu der enormen Gruppe der Nachtschmetterlinge wenden, welche, wie ich von Mr. Stainton höre, gewöhnlich die untere Fläche ihrer Flügel nicht vollständig dem Blicke aussetzen, so finden wir, dass diese Seite sehr selten glänzender gefärbt ist als die


  1. so z. B. Lithosia; Prof. Westwood scheint aber (Modern Classific. of Insects, Vol. II, p. 390) über diesen Fall überrascht gewesen zu sein. Ueber die relativen Färbungen der Tag- und Nachtschmetterlinge s. ebenda p. 383 und 392; auch Harris, Treatise on the Insects of New England. 1842, p. 315.
  2. Derartige Verschiedenheiten zwischen den oberen und unteren Flächen der Flügel bei mehreren Species von Papilio kann man auf den schönen Tafeln sehen zu Mr. Wallace’s Abhandlung on the Papilionidae of the Malayan Region, in: Transact. Linnean Soc. Vol. XXV. Part. I. 1865.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 411. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/425&oldid=- (Version vom 31.7.2018)