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Verschiedenheit in der Färbung bis zu einer so bedeutenden darbieten, dass es lange gedauert hat, ehe die beiden Geschlechter von den Entomologen in eine und dieselbe Gattung gestellt wurden. Wir haben aber drittens auch gesehen, dass, wenn die Geschlechter einander ziemlich ähnlich sind, dies allem Anscheine nach entweder die Folge davon ist, dass das Männchen seine Farben dem Weibchen überliefert hat, oder dass das Männchen die ursprünglichen Farben der Gattung zu welcher die Art gehört, beibehalten oder vielleicht auch wiedererlangt hat. Auch verdient es Beachtung, dass in denjenigen Gruppen, bei denen die Geschlechter verschieden sind, die Weibchen gewöhnlich in einer gewissen Ausdehnung den Männchen ähnlich sind, so dass, wenn die Männchen in einem ausserordentlichen Grade schön sind, auch die Weibchen fast ausnahmslos einen gewissen Grad von Schönheit ihrerseits darbieten. Aus den zahlreichen Fällen von Abstufung in dem Betrage an Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern und aus dem Vorherrschen desselben allgemeinen Typus der Färbung durch die ganze Gruppe hindurch können wir schliessen, dass es im Allgemeinen dieselben Ursachen gewesen sind, welche die brillante Färbung allein der Männchen bei manchen Species und beider Geschlechter in mehr oder weniger gleichem Grade bei andern Species bestimmt haben.

Da so viele prachtvolle Schmetterlinge die Tropenländer bewohnen, so ist oft vermuthet worden, dass sie ihre Farben der grossen Wärme und Feuchtigkeit dieser Zonen verdanken. Aber aus der Vergleichung verschiedener nahe verwandter Gruppen von Insecten aus den gemässigten und den tropischen Ländern hat Mr. Bates gezeigt,[1] dass diese Ansicht nicht aufrecht erhalten werden kann; und die Belege hierfür werden zwingend, sobald brillant gefärbte Männchen und einfach gefärbte Weibchen einer und derselben Species den nämlichen Bezirk bewohnen, sich von demselben Futter ernähren und genau dieselben Lebensbedingungen haben. Selbst wenn die Geschlechter einander ähnlich sind, können wir kaum glauben, dass ihre brillanten und schön angeordneten Farben das zwecklose Resultat einer besonderen Beschaffenheit der Gewebe und eine Folge der Einwirkung der umgebenden Bedingungen sind.

Sobald die Farbe zu irgend einem speciellen Zwecke modificirt


  1. The Naturalist on the Amazons. Vol. I. 1863, p. 19.
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Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/420&oldid=- (Version vom 31.7.2018)