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Jedermann muss die ausserordentliche Schönheit vieler Tag- und Nachtschmetterlinge bewundert haben; und wir werden zu der Frage veranlasst: sind diese Färbungen und verschiedenen Zeichnungen das Resultat der directen Wirkung der physikalischen Bedingungen, denen diese Insecten ausgesetzt gewesen sind, ohne irgendwelchen daraus fliessenden Vortheil? oder sind nach einander auftretende Abänderungen angehäuft und entweder als Schutzmittel oder für irgend einen unbekannten Zweck festgehalten worden, oder dazu dass das eine Geschlecht dem anderen anziehend gemacht werde? Und ferner, was ist die Bedeutung davon, dass bei den Männchen und Weibchen gewisser Species die Färbungen sehr verschieden und bei den beiden Geschlechtern anderer Species gleich sind? Ehe wir versuchen, diese Fragen zu beantworten, muss eine Anzahl von Thatsachen hier mitgetheilt werden.

Bei unseren schönen englischen Schmetterlingen, dem Admiral, dem Pfauenauge, den Fuchsen (Vanessae), und vielen andern sind die Geschlechter einander gleich. Dies ist auch der Fall bei den prachtvollen Heliconiden und den meisten Danaiden der Tropenländer. Aber bei gewissen andern tropischen Gruppen und bei einigen unserer englischen Schmetterlinge, so bei der Iris, dem Aurorafalter u. s. w. (Apatura Iris und Anthocharis cardamines), weichen die Geschlechter entweder bedeutend oder nur unbedeutend in der Farbe von einander ab. Es ist unmöglich den Glanz der Männchen einiger tropischer Species mit Worten zu schildern. Selbst innerhalb einer und der nämlichen Gattung finden wir oft Species, welche eine ausserordentliche Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern darbieten, während bei andern die Geschlechter nahezu gleich sind. So theilt mir Mr. Bates, welchem ich für die meisten der folgenden Thatsachen ebenso wie dafür, dass er diese ganze Erörterung nochmals durchgesehen hat, sehr verbunden bin, mit, dass er von der südamericanischen Gattung Epicallia zwölf Species kennt, von denen die beiden Geschlechter an denselben Orten schwärmen (und dies ist nicht immer bei Schmetterlingen der Fall), welche daher nicht durch die äusseren Bedingungen verschieden beeinflusst worden sein können.[1] Von neun unter diesen zwölf Species gehören die Männchen zu den brillantesten von allen


  1. s. auch den Aufsatz von Mr. Bates in den Proceed. Entomolog. Soc. of Philadelphia. 1865, p. 206; auch Mr. Wallace über denselben Gegenstand in Bezug auf Diadema, in Transact. Entomolog. Soc. of London. 1869, p. 278.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/417&oldid=- (Version vom 31.7.2018)