Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/398

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Mutilla europaea gibt einen stridulirenden Laut von sich, und der Angabe von Goureau[1] zufolge haben beide Geschlechter diese Fähigkeit. Er schreibt den Laut einer Reibung des dritten und der vorhergehenden Hinterleibssegmente zu, und wie ich sehe, sind die oberen Flächen dieser mit sehr feinen concentrischen Leisten versehen; aber ebenso ist es auch der vorspringende Brustkragen, auf welchen der Kopf eingelenkt ist; und wird dieser Kragen mit einer Nadelspitze gekratzt, so gibt er den eigentümlichen Laut von sich. Es ist ziemlich überraschend, dass beide Geschlechter diese Fähigkeit, einen Laut hervorzubringen, besitzen, da das Männchen geflügelt und das Weibchen flügellos ist. Es ist notorisch, dass Bienen gewisse Gemüthsbewegungen, z. B. Aerger, durch den Ton ihres Summen ausdrücken; und der Angabe H. Müller's zufolge (p. 80) machen die Männchen mancher Arten ein eigenthümliches singendes Geräusch, wenn sie die Weibchen verfolgen.

Ordnung: Coleoptera (Käfer). — Viele Käfer sind so gefärbt, dass sie der Oberfläche der Orte ähnlich sind, welche sie gewöhnlich bewohnen, und dadurch dem entgehen, von ihren Feinden entdeckt zu werden. Andere Species sind mit prächtigen Färbungen geziert, z. B. die Diamantkäfer, welche häufig in Streifen, Flecken, Kreuzen und andern eleganten Mustern angeordnet sind. Derartige Färbungen können kaum direct als Schutzmittel dienen, ausgenommen in dem Fall einiger von Blüthen lebender Arten; sie können aber zur Warnung oder als Erkennungsmittel dienen, nach demselben Principe wie die Phosphorescenz der Leuchtkäfer. Da bei Käfern die Färbungen der beiden Geschlechter allgemein gleich sind, haben wir keine Belege dafür, dass sie durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind; dies ist aber wenigstens möglich, denn sie können sich in dem einen Geschlechte entwickelt haben und dann auf das andere übertragen worden sein. Diese Ansicht ist in denjenigen Gruppen, welche andre scharf ausgesprochene secundäre Sexualcharactere besitzen, selbst in einem gewissen Grade wahrscheinlich. Blinde Käfer, welche selbstverständlich nicht die Schönheit des anderen Geschlechts bewundern können, bieten, wie ich von Mr. Waterhouse jun. höre, niemals glänzende Farben dar, obgleich sie oft polirte Oberflächen haben. Doch


  1. citirt von Westwood in: Modern Classification of Insects. Vol. II, p. 214.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/398&oldid=- (Version vom 31.7.2018)