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Farben als Schutzmittel erlangt worden sind. Wie Mr. Mac Lachlan, welcher dieser Familie eingehende Aufmerksamkeit gewidmet hat, mir schreibt, werden die Libellen, die Tyrannen der Insectenwelt, am wenigsten unter allen Insecten von den Vögeln oder anderen Feinden angegriffen. Er glaubt, dass ihre glänzenden Farben als ein geschlechtliches Anziehungsmittel dienen. Gewisse Libellen werden offenbar durch besondere Farben angezogen. So beobachtet Mr. Patterson,[1] dass diejenigen Species von Agrioniden, deren Männchen blau sind, sich in grosser Zahl auf das blaue Schwimmstück einer Angelleine niederliessen, während zwei andere Species von hellweissen Farben angezogen wurden.

Es ist eine zuerst von Schelver beobachtete interessante Thatsache, dass die Männchen mehrerer zu zwei Unterfamilien gehörigen Gattungen, wenn sie zuerst aus der Puppenhülle ausschlüpfen, genau so wie die Weibchen gefärbt sind, dass aber ihre Körper in einer kurzen Zeit eine auffallend milchigblaue Farbe erlangen in Folge der Ausschwitzung einer Art von Oel, welches in Aether und Alcohol löslich ist. Mr. Mac Lachlan glaubt, dass bei den Männchen von Libellula depressa diese Veränderung der Farbe nicht vor vierzehn Tagen nach der Metamorphose eintritt, wenn die Geschlechter bereit sind, sich zu paaren.

Gewisse Species von Neurothemis bieten einer Angabe von Brauer[2] zufolge einen merkwürdigen Fall von Dimorphismus dar, indem einige der Weibchen gewöhnliche Flügel haben, während andere Weibchen sie „wie bei den Männchen der nämlichen Species sehr reich netzförmig entwickelt haben“. Brauer erklärt die Erscheinung nach „Darwinschen Grundsätzen durch die Vermuthung, dass das dichte Netzwerk der Adern ein secundärer Sexualcharacter bei den Männchen ist, welcher plötzlich auf einige Weibchen, statt auf alle, wie es gewöhnlich vorkommt, überliefert worden ist“. Mr. Mac Lachlan theilt mir noch einen anderen Fall von Dimorphismus bei mehreren Species von Agrion mit, bei denen eine gewisse Zahl von Individuen von einer orangenen Färbung gefunden wird; und diese sind unabänderlich Weibchen. Dies ist wahrscheinlich ein Fall von Rückschlag; denn bei den echten Libelluliden sind, sobald die Geschlechter in der Färbung verschieden sind, die Weibchen immer orange oder gelb, so dass


  1. Transact. Entomol. Soc. Vol. I, 1836. p. LXXXI.
  2. s. den Auszug in dem Zoological Record for 1867, p. 450.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/394&oldid=- (Version vom 31.7.2018)