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Weibchen den eigenthümlichen Stimmapparat in einem functionsunfähigen Zustande; und wir werden noch später in anderen Abtheilungen des Thierreichs vielen Beispielen begegnen, wo Gebilde, welche dem Männchen eigenthümlich sind, in einem rudimentären Zustande beim Weibchen vorkommen.

Landois hat noch eine andere interessante Thatsache beobachtet, nämlich dass bei den Weibchen der Acridiiden die für das Lautgeben bestimmten Zähne an den Oberschenkeln durch das ganze Leben in demselben Zustande bleiben, in welchem sie zuerst während des Larvenzustands in beiden Geschlechtern erscheinen. Bei den Männchen werden sie dagegen vollständig entwickelt und erreichen ihre vollkommene Bildung mit der letzten Häutung, wenn das Insect geschlechtsreif und zur Fortpflanzung bereit ist.

Aus den jetzt gegebenen Thatsachen sehen wir, dass die Mittel, durch welche die Männchen der Orthoptern ihre Laute produciren, äusserst verschiedenartig und durchaus von denen, welche bei den Homoptern angewendet werden, abweichend sind.[1] Aber durch das ganze Thierreich hindurch sehen wir häufig, dass derselbe Zweck durch die verschiedenartigsten Mittel erreicht wird. Dies scheint eine Folge davon zu sein, dass die ganze Organisation im Laufe der Zeiten mannichfache Veränderungen erlitten hat und dass, da ein Theil nach dem andern variirt hat, aus verschiedenen Abänderungen zu einem und dem nämlichen allgemeinen Zwecke Vortheil gezogen worden ist. Die Verschiedenheit der Mittel zur Hervorbringung einer Stimme in den drei Familien der Orthoptern und bei den Homoptern lässt die grosse Bedeutung dieser Gebilde für die Männchen zu dem Zwecke des Herbeirufens oder Anlockens der Weibchen recht hervortreten. Wir dürfen von der Grösse der Modificationen nicht überrascht sein, welche die Orthoptern in dieser Beziehung erlitten haben, da wir jetzt in Folge von Dr. Scudder's merkwürdiger Entdeckung[2] wissen, dass die Zeit hierzu mehr als hinreichend gegeben war. Dieser Naturforscher hat neuerdings in der Devonischen Formation von Neu-Braunschweig ein fossiles Insect gefunden, welches mit „dem bekannten Paukenfell oder dem Stridulationsapparat der männlichen Locustiden“ versehen war.


  1. Landois hat neuerdings bei gewissen Orthoptern rudimentäre Bildungen gefunden, welche den lauterzeugenden Organen bei den Homoptern sehr ähnlich sind; dies ist eine überraschende Thatsache. s. Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. 22. Hft. 3. 1871. p. 348.
  2. Transact. Entomol. Soc. 3. Series. Vol. II. Journal of Proceedings. p. 117.
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Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 377. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/391&oldid=- (Version vom 31.7.2018)