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Regel in der ganzen Classe zu sein. Wir werden hernach sehen, dass dasselbe Gesetz durch das ganze grosse Unterreich der Wirbelthiere hindurch herrscht; und in allen Fällen ist dies ganz ausserordentlich bezeichnend für Merkmale, welche in Folge geschlechtlicher Zuchtwahl erlangt worden sind. Fritz Müller[1] gibt einige auffallende Beispiele für dieses Gesetz; so erhält der männliche Sandhüpfer (Orchestia) seine grossen Zangen, welche von denen des Weibchens sehr verschieden gebildet sind, nicht eher, als bis er fast völlig erwachsen ist; in der Jugend sind seine Zangen denen des Weibchens ähnlich.

Classe: Arachnida (Spinnen u. s. w.). — Die Geschlechter weichen meistens nicht sehr in der Farbe von einander ab; doch sind die Männchen oft dunkler als die Weibchen, wie man in dem prachtvollen Werke Blackwall's sehen kann.[2] In einigen Arten weichen indess die Geschlechter auffallend von einander in der Färbung ab; so ist das Weibchen von Sparassus smaragdulus mattgrün, während das Männchen ein schön gelbes Abdomen hat mit drei Längsstreifen von gesättigtem Roth. Bei einigen Arten von Thomisus sind die beiden Geschlechter einander sehr ähnlich; bei andern weichen sie bedeutend von einander ab; und analoge Fälle kommen in vielen andern Gattungen vor. Es ist oft schwer zu sagen, welches der beiden Geschlechter am meisten von der gewöhnlichen Färbung der ganzen Gattung, zu welcher die Species gehört, abweicht; doch glaubt Mr. Blackwall, dass es, einer allgemeinen Regel zufolge, das Männchen ist. Canestrini[3] bemerkt, dass bei gewissen Gattungen die Männchen mit Leichtigkeit specifisch unterschieden werden können, die Weibchen nur mit grosser Schwierigkeit. Wie mir Mr. Blackwall mittheilt, sind in der Jugend die beiden Geschlechter einander ähnlich; und beide erleiden häufig bedeutende Veränderungen in der Farbe während der aufeinanderfolgenden Häutungen, ehe sie zum Reifezustande gelangen. In anderen Fällen scheint nur das Männchen die Farbe zu verändern. So ist das Männchen des vorhin erwähnten glänzend gefärbten


  1. „Für Darwin“. S. 53.
  2. A History of the Spiders of Great Britain. 1861—64. In Bezug auf die oben erwähnten Thatsachen vergl. p. 77, 88, 102.
  3. Dieser Schriftsteller hat neuerdings eine werthvolle Abhandlung über „Caratteri sessuali secondarii degli Arachnidi“ veröffentlicht, in: Atti della Soc. Veneto-Trentina di Sc. Nat. Padova, Vol. I. Fasc. 3. 1873.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/370&oldid=- (Version vom 31.7.2018)