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Species, nämlich des Eland (Antilope oreas) lebten, bei welchem beide Geschlechter gehörnt sind. Nun waren in strenger Uebereinstimmung mit unserem Gesetze bei dem jungen männlichen Kudu, trotzdem derselbe bereits zehn Monate alt war, die Hörner merkwürdig klein, wenn man die schliesslich von ihnen erreichte Grösse in Betracht zieht, während bei dem jungen männlichen Eland, obgleich er nur drei Monate alt war, die Hörner bereits sehr viel grösser waren als bei dem Kudu. Es ist auch der Erwähnung werth, dass bei der gabelhörnigen Antilope[1] nur einige wenige Weibchen, etwa eines unter fünf, Hörner haben; diese finden sich in einem rudimentären Zustande, wennschon sie zuweilen über einen Zoll lang werden. Was den Besitz von Hörnern seitens der Männchen allein betrifft, befindet sich diese Species in einem intermediären Zustande, und die Hörner erscheinen nicht eher, als ungefähr fünf oder sechs Monate nach der Geburt. Im Vergleich daher mit dem Wenigen, was wir von der Entwickelung der Hörner bei andern Antilopen wissen und was in Bezug auf die Hörner der Hirsche, Rinder u. s. w. bekannt ist, treten die der Gabelhorn-Antilope in einer intermediären Lebensperiode auf, d. h. weder sehr früh, wie bei Rindern und Schafen, noch sehr spät, wie bei den grösseren Hirschen und Antilopen. Bei Schafen, Ziegen und den Rindern, bei denen die Hörner in beiden Geschlechtern gut entwickelt sind, wenn sie auch in der Grösse nicht völlig gleich sind, können sie schon bei der Geburt oder bald nachher gefühlt oder selbst schon gesehen werden.[2] Unser Gesetz lässt uns indess in Bezug auf einige Schafrassen im Stiche, z. B. bei den Merinos, wo nur die Widder gehörnt sind. Denn in Folge eingezogener Erkundigungen[3] bin ich nicht im


  1. Antilocapra americana. Ich habe Dr. Canfield für Angaben in Betreff der Hörner des Weibchens zu danken; s. auch seinen Aufsatz in: Proceed. Zoolog. Soc. 1866, p. 209. s. auch Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p. 627.
  2. Mir ist versichert worden, dass bei den Schafen in Nord-Wales schon zur Zeit der Geburt die Hörner immer gefühlt werden können und zuweilen selbst einen Zoll lang sind. In Bezug auf das Rind sagt Youatt (Catlle, 1834, p. 277), dass der Vorsprung des Stirnbeine bei der Geburt die Haut durchbohrt und dass die Hornsubstanz sich bald auf demselben bildet.
  3. Prof. Victor Carus hat für mich bei den höchsten Autoritäten in Bezug auf die Merino-Schafe in Sachsen Erkundigungen eingezogen. An der Guineaküste in Africa gibt es indessen eine Schafrasse, bei welcher wie bei den Merinos nur die Widder allein Hörner haben; und Mr. Winwood Reade theilt mir mit, dass in einem von ihm beobachteten Falle ein junger, am 10. Febr. geborener Widder zuerst am 6. März die Hörner zeigte, so dass die Entwickelung der Hörner in diesem Falle zu einer späteren Lebensperiode eintrat, unserem Gesetze zufolge, als bei dem Waliser Schaf, bei denen beide Geschlechter gehörnt sind.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/322&oldid=- (Version vom 31.7.2018)