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richtiger ausgedrückt, die ursprünglich von der elterlichen Species erlangte Schönheit modificiren kann, – wie er den Sebright-Bantam-Hühnern ein neues und elegantes Gefieder, eine aufrechte und eigentümliche Haltung geben kann – so haben auch allem Anscheine nach im Naturzustande die weiblichen Vögel die Schönheit oder andere anziehende Eigenschaften ihrer Männchen dadurch erhöht, dass sie lange Zeit hindurch die anziehenderen Männchen sich erwählt haben. Ohne Zweifel setzt dies ein Vermögen der Unterscheidung und des Geschmacks von Seiten des Weibchens voraus, welches auf den ersten Blick äusserst unwahrscheinlich erscheint; doch hoffe ich durch die später anzuführenden Thatsachen zu zeigen, dass die Weibchen factisch dies Vermögen besitzen. Wenn indessen gesagt wird, dass die niedern Thiere einen Sinn für Schönheit haben, so darf nicht etwa vermuthet werden, dass ein solcher Sinn mit dem eines cultivirten Menschen mit seinen vielgestaltigen und complicirten associirten Ideen vergleichbar ist. Richtiger würde es sein, den Geschmack am Schönen bei Thieren mit dem bei den niedrigsten Wilden zu vergleichen, welche sich mit allen möglichen brillanten, glänzenden oder merkwürdigen Gegenständen bedecken und dies bewundern.

Nach unserer Unwissenheit in Bezug auf mehrere Punkte ist die genaue Art und Weise, in welcher geschlechtliche Zuchtwahl wirkt, bis zu einer gewissen Ausdehnung nicht sicher zu bestimmen. Wenn trotzdem diejenigen Naturforscher, welche bereits an die Veränderlichkeit der Arten glauben, die folgenden Capitel lesen wollen, so werden sie, denke ich, mit mir darüber übereinstimmen, dass geschlechtliche Zuchtwahl in der Geschichte der organischen Welt eine bedeutende Rolle gespielt hat. Es ist sicher, dass bei fast allen Thieren ein Kampf zwischen den Männchen um den Besitz des Weibchens besteht. Diese Thatsache ist so notorisch, dass es überflüssig sein würde, hier Beispiele anzuführen. Es können daher die Weibchen unter der Voraussetzung, dass ihre geistigen Fähigkeiten für die Ausübung einer solchen Wahl hinreichen, eines von mehreren Männchen auswählen. In zahlreichen Fällen aber machen besondere Umstände den Kampf zwischen den Männchen besonders heftig. So kommen bei unsern Zugvögeln allgemein die Männchen vor den Weibchen auf den Brüteplätzen an, so dass viele Männchen bereit sind, um jedes Weibchen zu kämpfen. Die Vogelfänger behaupten, dass dies unabänderlich bei der Nachtigall und dem Plattmönche der Fall ist, wie mir Mr. Jenner Weir mitgetheilt


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/291&oldid=- (Version vom 31.7.2018)