derartige Theile verloren hat. So ist z. B. der weibliche Leuchtkäfer ohne Flügel, wie es auch viele weiblichen Schmetterlinge sind; von diesen verlassen einige niemals ihre Cocons. Viele weibliche parasitische Crustaceen haben ihre Schwimmfüsse verloren. Bei einigen Rüsselkäfern (Curculionidae) besteht eine bedeutende Verschiedenheit zwischen dem Männchen und Weibchen in der Länge des Rostrums oder des Rüssels.[1] Doch ist die Bedeutung dieser und vieler anderer Verschiedenheiten durchaus nicht erklärt. Verschiedenheiten der Structur zwischen den beiden Geschlechtern, welche zu verschiedenen Lebensgewohnheiten in Beziehung stehen, sind meist auf die niederen Thiere beschränkt; aber auch bei einigen wenigen Vögeln weicht der Schnabel des Männchens von dem des Weibchens ab. Beim Huia von Neu-Seeland ist der Unterschied merkwürdig gross; wir erfahren von Dr. Buller,[2] dass das Männchen seinen starken Schnabel dazu benutzt, die Insectenlarven aus faulendem Holze auszumeiseln, während das Weibchen mit seinem weit längeren, bedeutend gekrümmten und biegsamen Schnabel die weicheren Theile sondirt; sie helfen sich auf diese Weise gegenseitig. In den meisten Fällen stehen die Verschiedenheiten im Bau in einer mehr oder weniger directen Beziehung zu der Fortpflanzung der Art. So wird ein Weibchen, welches eine Menge Eier zu ernähren hat, mehr Nahrung erfordern als das Männchen und wird in Folge dessen specieller Mittel bedürfen, sich dieselben zu verschaffen. Ein männliches Thier, welches nur eine sehr kurze Zeit lebt, kann ohne Schaden in Folge von Nichtgebrauch seine Organe zur Beschaffung von Nahrung verlieren, es wird aber seine locomotiven Organe in vollkommenem Zustande behalten, damit es das Weibchen erreichen kann. Andererseits kann das Weibchen getrost seine Organe zum Fliegen, Schwimmen oder Gehen verlieren, wenn es allmählich Gewohnheiten annimmt, welche ein derartiges Vermögen nutzlos machen.
Wir haben es indessen hier nur mit geschlechtlicher Zuchtwahl zu thun. Dieselbe hängt von dem Vortheile ab, welchen gewisse Individuen über andere Individuen desselben Geschlechts und derselben Species erlangen in ausschliesslicher Beziehung auf die Reproduction. Wenn die beiden Geschlechter in ihrer Structur in Bezug auf die verschiedenen Lebensgewohnheiten, wie in den oben erwähnten Fällen, von
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/287&oldid=- (Version vom 31.7.2018)