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Auch durch vererbte Wirkungen des vermehrten oder verminderten Gebrauchs von Theilen können die Verschiedenheiten zwischen den Menschenrassen nicht erklärt werden, ausgenommen in einem vollkommen nichtssagenden Grade. Menschen, welche beständig in Booten leben, mögen ihre Beine etwas stämmiger haben, diejenigen, welche hohe Gegenden bewohnen, mögen einen etwas grösseren Brustkasten haben, und diejenigen, welche beständig gewisse Sinnesorgane gebrauchen, mögen die Höhlen, in welche diese eingebettet sind, der Grösse nach etwas erweitert und in Folge hiervon ihre Gesichtszüge ein wenig modificirt haben. Bei civilisirten Nationen haben die etwas reducirte Grösse der Kinnladen in Folge eines verminderten Gebrauchs, das beständige Spiel verschiedener Muskeln, welche verschiedene Gemüthserregungen auszudrücken dienen, und die vermehrte Grösse des Gehirns in Folge der grösseren intellectuellen Lebendigkeit, Alles in Verbindung eine beträchtliche Wirkung auf die allgemeine Erscheinung im Vergleich mit Wilden hervorgebracht.[1] Es ist auch möglich, dass vermehrte Körpergrösse, ohne eine entsprechende Zunahme der Grösse des Gehirns, manchen Rassen (wenigstens nach den früher angeführten Fällen bei Kaninchen zu urtheilen) einen verlängerten, dem dolichocephalen Typus angehörigen Schädel verschafft haben mag.

Endlich ist auch das nur wenig erklärte Princip der Correlation zur Thätigkeit gelangt, wie in dem Falle einer bedeutenden Entwickelung des Muskelsystems und stark vorspringender Oberaugenbrauenleisten. Die Farbe des Haars und der Haut stehen offenbar mit einander in Correlation, wie die Textur des Haares bei den Mandan-Indianern von Nordamerica mit dessen Farbe.[2] Die Farbe der Haut und der von ihr ausgehende Geruch stehen gleichfalls auf irgendwelche Weise in Verbindung. Bei den Schafrassen steht die Zahl der Haare auf einem gegebenen Stücke Hautfläche und die Zahl der Drüsenöffnungen auf demselben im Verhältniss zu einander.[3] Wenn wir nach der


  1. s. Prof. Schaaffhausen in: Anthropological Review. Oct. 1868, p. 429.
  2. Mr. Catlin gibt an (North American Indians, 3. edit. 1842. Vol. 1. p. 49), dass in dem ganzen Stamme der Mandan-Indianer ungefähr eines unter je zehn oder zwölf Individuen aller Altersstufen und beider Geschlechter helle silbergraue Haare habe, was erblich sei. Dies Haar ist nun so grob und barsch, wie die Mähne eines Pferdes, während die Haare anderer Farben weich und dünn sind.
  3. Ueber den Geruch der Haut s. Godron, De l'Espèce, Tom. II. p. 217. Ueber die Poren der Haut s. Dr. Wilckens, die Aufgaben der landwirthschaftlichen Zootechnik. 1869, S. 7.
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Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/272&oldid=- (Version vom 31.7.2018)