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Angewöhnung im Individuum, denn nur sechs oder acht Monate alte Kinder werden oft nackt herumgetragen und werden nicht afficirt. Ein Arzt hat mir versichert, dass vor einigen Jahren seine Hände jedesmal während des Sommers, aber nicht während des Winters, mit hellbraunen Flecken gezeichnet worden wären, wie Sommersprossen, aber nur grösser, und dass diese Flecken beim Verbranntwerden in der Sonne niemals afficirt wurden, während die weissen Theile seiner Haut bei mehreren Gelegenheiten stark entzündet und in Blasen erhoben worden waren. Auch bei den niederen Thieren besteht eine constitutionelle Verschiedenheit in Bezug auf die Empfindlichkeit gegen die Wirkung der Sonne zwischen den mit weissem Haar bedeckten und andern Theilen der Haut.[1] Ob das Freibleiben der Haut von einem in dieser Weise Verbranntwerden von hinreichender Bedeutung ist, um die allmähliche Erlangung eines dunklen Teints beim Menschen durch natürliche Zuchtwahl zu erklären, bin ich ausser Stande zu beurtheilen. Sollte dies der Fall sein, so würden wir anzunehmen haben, dass die Eingebornen des tropischen America eine viel kürzere Zeit dort leben, als die Neger in Africa oder die Papuas in den südlichen Theilen des Malaiischen Archipels, ebenso wie die heller gefärbten Hindus eine kürzere Zeit in Indien gelebt haben, als die dunkleren Ureinwohner der centralen und südlichen Theile der Halbinsel.

Obgleich wir mit unsern jetzigen Kenntnissen die Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den Menschenrassen weder durch einen daraus erlangten Vortheil, noch durch die directe Einwirkung des Clima’s zu erklären vermögen, so dürfen wir doch die Wirkung des Letzteren nicht völlig vernachlässigen; denn wir haben guten Grund zu glauben, dass ein gewisser vererbter Effect hierdurch hervorgebracht wird.[2]

In unserem zweiten Capitel haben wir gesehen, dass die Lebensbedingungen


  1. Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. 2. Bd. p. 383, 384.
  2. s. z. B. A. de Quatrefages (Revue des Cours scientifiques, Oct. 10. 1868, p. 724) über die Wirkung des Aufenthalts in Abyssinien und Arabien, und andere analoge Fälle. Dr. Rolle gibt (Der Mensch, seine Abstammung u. s. w., 1865, S. 99) nach der Autorität Khanikof’s an, dass die grössere Zahl der sich in Georgien niedergelassen habenden deutschen Familien im Verlaufe von zwei Generationen dunkle Haare und Augen bekommen haben. Mr. D. Forbes theilt mir mit, dass die Quechuas in den Anden sehr bedeutend je nach der Lage der von ihnen bewohnten Thäler in der Farbe variiren.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/270&oldid=- (Version vom 31.7.2018)