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der Fruchtbarkeit kann in manchen Fällen durch die Lüderlichkeit der Frauen erklärt werden (wie bis vor Kurzem bei den Bewohnern von Tahiti); Mr. Fenton hat aber gezeigt, dass diese Erklärung bei den Neu-Seeländern ebensowenig wie bei den Tasmaniern genügt.

In dem oben erwähnten Aufsatze führt Mr. Macnamara Gründe zu der Annahme auf, dass die Einwohner von Districten, welche der Malaria ausgesetzt sind, leicht unfruchtbar werden; doch kann dies auf mehrere der obigen Fälle nicht angewandt werden. Einige Schriftsteller haben die Vermuthung ausgesprochen, dass die Ureinwohner von Inseln in Folge lange fortgesetzter Inzucht unfruchtbar und kränklich geworden sind; in den obigen Fällen ist die Unfruchtbarkeit zu genau mit der Ankunft der Europäer zusammengefallen, um uns die Annahme dieser Erklärung zu gestatten. Auch haben wir gegenwärtig keinen Grund zu glauben, dass der Mensch für die übeln Wirkungen der Inzucht in hohem Grade empfindlich ist, besonders in so grossen Bezirken wie Neu-Seeland und dem Sandwichs-Archipel. Im Gegentheil ist es bekannt, dass die jetzigen Einwohner der Norfolk-Insel beinahe sämmtlich Vettern oder nahe Verwandte sind, ebenso wie die Todas in Indien und die Bewohner einiger der westlichen schottischen Inseln; und doch scheint ihre Fruchtbarkeit nicht gelitten zu haben.[1]

Eine viel wahrscheinlichere Ansicht wird durch die Analogie mit den niederen Thieren dargeboten. Es kann nachgewiesen werden, dass das Reproductionssystem in einem ausserordentlichen Grade (doch wissen wir nicht, warum) für veränderte Lebensbedingungen empfindlich ist; diese Empfindlichkeit führt sowohl zu wohlthätigen als übeln Resultaten. Eine grosse Sammlung von Thatsachen über diesen Gegenstand habe ich im XVIII. Capitel des zweiten Bandes meines „Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“ gegeben; ich kann hier nur den allerkürzesten Auszug geben; jeder der sich für die Sache interessirt, mag das angeführte Werk zu Rathe ziehen. Sehr unbedeutende Veränderungen erhöhen die Gesundheit, Lebenskraft und Fruchtbarkeit der meisten oder aller organischen Wesen, während von andern Veränderungen bekannt ist, dass sie eine grosse Zahl von Thieren unfruchtbar machen. Einer der bekanntesten Fälle ist der der


  1. Ueber die nahe Verwandtschaft der Norfolk-Insulaner, s. Sir W. Denison, Varieties of Vice-Regal Life, Vol. I. 1870, p. 410. In Bezug auf die Todas s. Col. Marshall’s Buch, 1873, p. 110; wegen der westlichen Inseln von Schottland s. Dr. Mitchell, in: Edinburgh Medical Journal, März bis Juni, 1865.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/261&oldid=- (Version vom 31.7.2018)