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Geschlechter an: es werden weniger Mädchen als Knaben geboren. Auf diesen letzteren, vielleicht von einer gänzlich verschiedenen Ursache abhängenden Umstand werde ich in einem späteren Capitel zurückkommen. Mr. Fenton vergleicht mit Erstaunen die Abnahme in Neu-Seeland mit der Zunahme in Irland, zwei im Clima nicht sehr unähnlichen Ländern, wo die Einwohner jetzt nahezu ähnliche Lebensweise haben. Die Maoris selbst (p. 35) „schreiben ihre Abnahme in einem gewissen Maasse der Einführung neuer Nahrung und der Kleidung und der damit in Verbindung stehenden Aenderung der Lebensgewohnheiten zu“; und wenn wir den Einfluss veränderter Bedingungen auf die Fruchtbarkeit betrachten werden, wird es sich zeigen, dass sie wahrscheinlich darin Recht haben. Die Verminderung begann zwischen den Jahren 1830 und 1840; Mr. Fenton weist nach (p. 40), dass ungefähr um 1830 die Kunst, fauliges Korn (Mais) durch langes Einweichen in Wasser zuzubereiten, entdeckt und reichlich ausgeübt wurde; und dies zeigt, dass eine Aenderung der Lebensgewohnheiten unter den Eingebornen begann, selbst als Neu-Seeland nur dünn von Europäern bewohnt war. Als ich die Bay of Islands 1835 besuchte, waren die Kleidung und Nahrung der Eingebornen bereits sehr modificirt worden; sie erbauten Kartoffeln, Mais und andre landwirtschaftliche Erzeugnisse und tauschten dieselben gegen englische Manufacturwaaren und Tabak.

Aus vielen Angaben im Leben des Bischof Patteson[1] geht zur Evidenz hervor, dass die Melanesier der Neuen Hebriden und der benachbarten Archipele in einem ganz ausserordentlichen Grade an Krankheiten litten und in grosser Zahl umkamen, als sie nach Neu-Seeland, der Norfolk-Insel und andern gesunden Orten gebracht wurden, um zu Missionairen erzogen zu werden.

Die Abnahme der eingeborenen Bevölkerung der Sandwichs-Inseln ist ebenso notorisch, wie die von Neu-Seeland. Von den eines Urtheils am meisten Fähigen ist nach ungefährer Schätzung angegeben worden, dass, als Cook die Inseln im Jahre 1779 entdeckte, ihre Bevölkerung ungefähr 300000 betrug. Nach einer oberflächlichen Zählung im Jahre 1823 bestand dieselbe aus 142050 Seelen. Im Jahre 1832 und in verschiedenen späteren Zeiten wurde eine genaue Volkszählung officiell vorgenommen. Ich bin aber nur im Stande gewesen, die folgenden Resultate zu erhalten.


  1. Life of J. C. Patteson, by C. M. Younge, 1874; s. besonders Vol. I, p. 530.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/257&oldid=- (Version vom 31.7.2018)