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um einzeln verfolgt werden zu können; – ferner von der Natur der Abänderungen, welche erhalten worden sind, und dies hängt wieder von den umgebenden physikalischen Bedingungen und in einem noch höheren Grade von den umgebenden Organismen ab, mit welchen ein jeder in Concurrenz getreten ist; – und endlich von Vererbung, an sich schon ein schwankendes Element, wobei alle die zahllosen Voreltern wieder Formen besassen, welche durch ganz gleichmässig complicirte Beziehungen bestimmt worden waren. Es erscheint im äussersten Grade unglaublich, dass die modificirten Nachkommen zweier Organismen, wenn diese in einer ausgesprochenen Weise von einander verschieden waren, jemals später so nahe convergiren sollten, dass sie durch ihre ganze Organisation hindurch sich einer Identität näherten. Was den oben angezogenen Fall der convergirenden Rassen der Schweine betrifft, so haben sich Beweise ihrer Abstammung aus zwei ursprünglichen Stämmen noch immer deutlich erhalten, und zwar nach Nathusius an gewissen Knochen ihrer Schädel. Wären die Menschenrassen, wie es einige Naturforscher vermuthen, von zwei oder mehreren distincten Species abgestammt, welche von einander so weit oder nahezu so weit abgewichen wären, wie der Orang vom Gorilla abweicht, so liesse sich kaum bezweifeln, dass ausgesprochene Verschiedenheiten in der Structur gewisser Knochen noch immer beim Menschen, wie er jetzt existirt, nachweisbar sein würden.

Obgleich die jetzt lebenden Menschenrassen in vielen Beziehungen, so in der Farbe, dem Haar, der Form des Schädels, den Proportionen des Körpers u. s. w., verschieden sind, so stellen sie sich doch, wenn man ihre ganze Organisation in Betracht zieht, als einander in einer Menge von Punkten äusserst ähnlich heraus. Viele dieser Punkte sind so bedeutungslos oder von einer so eigenthümlichen Natur, dass es äusserst unwahrscheinlich ist, dass dieselben von ursprünglich verschiedenen Species oder Rassen unabhängig erlangt worden sein sollten. Dieselbe Bemerkung trifft mit gleicher oder noch grösserer Kraft zu in Bezug auf die zahlreichen Punkte geistiger Aehnlichkeit zwischen den verschiedensten Rassen des Menschen. Die Eingeborenen von America, die Neger und Europäer weichen von einander ihrem Geiste nach so weit ab, als irgend drei Rassen, die man nur nennen könnte. Und doch war ich, als ich mit den Feuerländern an Bord des Beagle zusammenlebte, unaufhörlich von vielen kleinen Characterzügen überrascht,


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/247&oldid=- (Version vom 31.7.2018)