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so hohen Rang verdienen. Wenn wir nun die gewichtigen Argumente, die oben für das Erheben der Menschenrassen zur Würde von Species mitgetheilt wurden, uns vergegenwärtigen und auf der andern Seite die unübersteiglichen Schwierigkeiten, sie zu definiren, so dürfte der Ausdruck „Subspecies“ hier sehr passend angewendet werden. Aber schon aus langer Gewohnheit wird vielleicht der Ausdruck „Rasse“ stets vorgezogen werden. Die Wahl von Ausdrücken ist nur insofern von Bedeutung, als es äusserst wünschenswerth ist, soweit es nur überhaupt möglich ist, dieselben Ausdrücke für dieselben Grade von Verschiedenheit zu gebrauchen. Unglücklicherweise ist dies sehr selten möglich; denn es umfassen die grösseren Gattungen allgemein näher verwandte Formen, welche nur mit grosser Schwierigkeit auseinandergehalten werden können, während die kleineren Gattungen innerhalb einer und derselben Familie Formen einschliessen, welche vollkommen distinct sind; und doch müssen alle gleichmässig als Species rangirt werden. Ferner sind auch die Species innerhalb einer und derselben grossen Gattung durchaus nicht in demselben Grade einander ähnlich; im Gegentheil können in den meisten Fällen einige von ihnen in kleinen Gruppen um andere Arten herum, wie Satelliten um Planeten, angeordnet werden.[1]

Die Frage, ob das Menschengeschlecht aus einer oder aus mehreren Species besteht, ist in den letzten Jahren von den Anthropologen sehr lebhaft behandelt worden, welche sich in zwei Schulen trennen, die Monogenisten und die Polygenisten. Diejenigen, welche das Princip der Entwickelung nicht annehmen, müssen die Species entweder als einzelne Schöpfungen oder als in irgend einer Weise distincte Einheiten ansehen, und welche Menschenformen sie als Species zu betrachten haben, müssen sie nach Analogie der Methode entscheiden, welche gewöhnlich bei der Classification anderer organischer Wesen als Arten befolgt wird. Es ist aber ein hoffnungsloser Versuch, diesen Punkt entscheiden zu wollen, bis irgend eine Definition des Ausdruckes „Species“ allgemein angenommen sein wird; und diese Definition darf kein unbestimmbares Element einschliessen, wie eben einen Schöpfungsact. Wir könnten ebensogut ohne irgend eine Definition zu entscheiden versuchen, ob eine gewisse Anzahl von Häusern ein Dorf, ein Flecken oder eine Stadt genannt werden soll. Eine practische Illustration oder Schwierigkeit haben wir in den kein


  1. Entstehung der Arten. 5. Aufl. S. 71.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/244&oldid=- (Version vom 31.7.2018)