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werden, dass die Domestication die Unfruchtbarkeit, welche ein so allgemeines Resultat der Kreuzung von Species im Naturzustände ist, zu eliminiren strebt. Nach diesen verschiedenen Betrachtungen kann man mit Recht betonen, dass die vollkommene Fruchtbarkeit der mit einander gekreuzten Rassen des Menschen, wenn sie festgestellt wäre, uns nicht absolut daran hindern könnte, sie als distincte Species aufzuführen.

Abgesehen von der Fruchtbarkeit hat man zuweilen geglaubt, dass die Charactere der Nachkommen aus einer Kreuzung Beweise dafür darböten, ob die elterlichen Formen als Species oder als Varietäten einzuordnen seien; aber nach einer sorgfältigen Erwägung der Belege bin ich zu der Folgerung gekommen, dass keiner allgemeinen Regel dieser Art getraut werden kann. Das gewöhnliche Resultat einer Kreuzung ist die Erzeugung einer gemischten oder intermediären Form; in gewissen Fällen schlagen aber manche der Nachkommen auffallend nach dem einen Erzeuger, und manche nach dem andern. Dies tritt dann besonders gern ein, wenn die Eltern in Characteren von einander verschieden sind, welche zuerst als plötzliche Abänderungen oder Monstrositäten auftraten.[1] Ich erwähne diesen Punkt, weil mir Dr. Rohlfs mittheilt, dass er in Africa häufig gesehen habe, wie die Nachkommen von Negern, die sich mit Menschen andrer Rassen gekreuzt hatten, entweder vollkommen schwarz oder vollkommen weiss, und nur selten gescheckt waren. Andrerseits ist es aber notorisch, dass in America die Mulatten gewöhnlich ein intermediäres Aussehen darbieten.

Wir haben nun gesehen, dass ein Naturforscher sich für völlig berechtigt halten könnte, die Menschenrassen als distincte Species einzuordnen; denn er hat gefunden, dass sie in zahlreichen Characteren des Baus und der Constitution, von denen einige von grosser Bedeutung sind, von einander verschieden sind. Auch sind diese Verschiedenheiten in sehr langen Zeiträumen nahezu constant geblieben. Unser


    offenbar unmöglich, die sterileren Individuen, welche bereits aufgehört haben, Samen zu produciren, zur Nachzucht zu wählen, so dass also der Gipfel der Unfruchtbarkeit, wo nur der Keim afficirt wird, nicht durch Zuchtwahl erreicht worden sein kann. Dieser höchste Grad und zweifelsohne auch die andern Grade der Unfruchtbarkeit sind Resultate, welche mit gewissen unbekannten Verschiedenheiten in der Constitution des Reproductionssystems der gekreuzten Arten zusammenhängen.

  1. Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. Bd. 2, S. 106.
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Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/240&oldid=- (Version vom 31.7.2018)