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wie mir Dr. Rohlfs schreibt und wie ich selbst gesehen habe, caucasische Gesichtszüge haben. Diese allgemeine Aehnlichkeit zeigt sich deutlich in den französischen Photographien in der Collection anthropologique du Muséum von Menschen, die verschiedenen Rassen angehören, von welchen die grössere Zahl (wie viele Leute, denen ich sie gezeigt habe, bemerkt haben) für Europäer gelten kann. Nichtsdestoweniger würden diese Menschen, wenn man sie lebendig sähe, unzweifelhaft sehr verschieden erscheinen, so dass wir ganz entschieden in unserem Urtheile durch die blosse Farbe der Haut und des Haars, durch unbedeutende Verschiedenheiten in den Gesichtszügen und durch den Ausdruck sehr beeinflusst werden.

Es ist indessen zweifellos, dass die verschiedenen Rassen, wenn sie sorgfältig verglichen und gemessen werden, bedeutend von einander abweichen, – so in der Textur des Haars, den relativen Proportionen aller Theile des Körpers,[1] der Capacität der Lungen, der Form und dem Rauminhalte des Schädels und selbst in den Windungen des Gehirns.[2] Es würde aber eine endlose Aufgabe sein, die zahlreichen Punkte der Verschiedenheiten des Baues einzeln durchzugehen. Die Rassen weichen auch in der Constitution, in der Acclimatisationsfähigkeit und in der Empfänglichkeit für verschiedene Krankheiten von einander ab; auch sind ihre geistigen Merkmale sehr verschieden, hauptsächlich allerdings, wie es scheinen dürfte, in der Form ihrer Gemüthserregungen, zum Theil aber auch in ihren intellectuellen Fähigkeiten. Ein Jeder, welcher die Gelegenheit zur Vergleichung gehabt hat, muss von dem Contraste überrascht gewesen sein zwischen dem schweigsamen, selbst morosen Eingeborenen von Südamerika und dem leichtherzigen, schwatzhaften Neger. Ein ziemlich ähnlicher Contrast besteht zwischen den Malayen und Papuas,[3] welche unter denselben physikalischen Bedingungen leben und nur durch einen sehr schmalen Meeresstrich von einander getrennt sind.


  1. Eine ungeheure Zahl von Maassangaben von Weissen, Schwarzen und Indianern sind mitgetheilt in den „Investigations in the Military and Anthropolog. Statistics of American Soldiers“, by B. A. Gould. 1869, p. 298–358, über die Capacität der Lungen, ebend. p. 471, s. auch die zahlreichen und werthvollen Tabellen von Dr. Weisbach nach den Beobachtungen des Dr. Scherzer und Dr. Schwarz in der Reise der Novara. Anthropolog. Theil. 1867.
  2. s. z. B. Marshall’s Bericht über das Gehirn eines Buschmann-Weibes in Philos. Transact. 1864. p. 519.
  3. Wallace, The Malay Archipelago. Vol. II. 1869, p. 178.
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Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/231&oldid=- (Version vom 31.7.2018)