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auszudrücken pflegt, bedeutend verallgemeinerten Plane gebaut, d. h. sie zeigten verschiedenartige Verwandtschaften mit andern Gruppen von Organismen. Der Lepidosiren ist wiederum so nahe mit den Amphibien und Fischen verwandt, dass die Zoologen sich lange gestritten haben, in welche dieser beiden Gruppen er zu stellen sei. Der Lepidosiren und einige wenige ganoide Fische sind dadurch vor völliger Zerstörung gerettet worden, dass sie Flüsse bewohnen, welche schützende Zufluchtshäfen bilden und dieselbe Beziehung zu den grossen Wassermassen des Oceans darbieten, wie die Inseln zu den Continenten.

Endlich ist ein einziges Glied der ungeheuer grossen und verschiedenartigen Classe der Fische, nämlich das Lanzettfischchen oder Amphioxus, so verschieden von allen übrigen Fischen, dass Häckel behauptet, es müsste eine besondere Classe im Wirbelthierreiche bilden. Dieser Fisch ist wegen seiner negativen Merkmale merkwürdig; man kann kaum sagen, dass er ein Gehirn, eine Wirbelsäule, ein Herz u. s. w. besitzt, so dass er auch von den älteren Naturforschern unter die Würmer gestellt wurde. Vor vielen Jahren machte Professor Goodsir die Beobachtung, dass das Lanzettfischchen einige Verwandtschaften mit den Ascidien darbietet, welche wirbellose hermaphroditische und beständig fremden Körpern angeheftete marine Geschöpfe sind. Sie erscheinen kaum als Thiere und bestehen aus einem zähen lederartigen Sacke mit zwei kleinen vorspringenden Oeffnungen. Sie gehören zu den Molluscoiden Huxley’s, einer niedrigen Abtheilung des grossen Unterreichs der Mollusken; neuerdings sind sie aber von einigen Zoologen unter die Vermes oder Würmer gestellt worden. Ihre Larven sind der Form nach den Kaulquappen etwas ähnlich[1] und haben das Vermögen frei herumzuschwimmen. Kowalevsky[2] hat neuerdings beobachtet, dass die Larven der Ascidien den Wirbelthieren verwandt sind und


  1. Ich habe die Genugthuung gehabt, auf den Falkland-Inseln im April 1833 und daher mehrere Jahre vor irgend einem andern Naturforscher die locomotiven Larven einer zusammengesetzten Ascidie gesehen zu haben, welche mit Synoicum nahe verwandt, aber, wie es scheint, doch generisch von ihm verschieden war. Der Schwanz war ungefähr fünfmal so lang als der oblonge Kopf und endete in einem feinen Faden. Er war, wie ich es unter einem einfachen Mikroskop gezeichnet habe, deutlich durch quere opake Abtheilungen getheilt, welche, wie ich vermuthe, die grossen von Kowalevsky abgebildeten Zellen darstellen. Auf einer früheren Entwickelungsstufe war der Schwanz dicht um den Kopf der Larve gewickelt.
  2. Mémoir. de l’Acad. des Scienc. de St. Pétersburg. Tom. X. No. 15. 1866.
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Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/220&oldid=- (Version vom 31.7.2018)