Selbst in einer sehr weit zurückliegenden Zeit schon führte er eine Theilung der Arbeit aus.
Andererseits müssen die niederen Thiere Modificationen ihres Körperbaues erleiden, um unter bedeutend veränderten Bedingungen leben zu bleiben. Sie müssen stärker gemacht werden, oder müssen wirksamere Zähne oder Klauen erhalten, um sich gegen neue Feinde zu vertheidigen; oder sie müssen an Grösse reducirt werden, um weniger leicht entdeckt werden zu können und Gefahren zu entgehen. Wandern sie in ein kälteres Clima aus, so müssen sie mit dickerem Pelze bekleidet werden oder ihre Constitution muss sich ändern. Werden sie nicht in dieser Weise modificirt, so werden sie aufhören, zu existiren.
Wie indessen Mr. Wallace mit Recht betont hat, liegt der Fall in Bezug auf die intellectuellen und moralischen Fähigkeiten des Menschen sehr verschieden. Diese Fähigkeiten sind variabel, und wir haben allen Grund zu glauben, dass die Abweichungen zur Vererbung neigen. Wenn sie daher früher für den Urmenschen und seine affenähnlichen Urerzeuger von grosser Bedeutung waren, so werden sie durch natürliche Zuchtwahl vervollkommnet oder fortgeschritten sein. Ueber die grosse Bedeutung der intellectuellen Fähigkeiten kann kein Zweifel bestehen, denn der Mensch verdankt ihnen hauptsächlich seine hervorragende Stellung auf der Erde. Wir sehen ein, dass auf dem rohesten Zustande der Gesellschaft diejenigen Individuen, welche die scharfsinnigsten waren, welche die besten Waffen oder Fallen erfanden und benutzten und welche wohl am besten im Stande waren, sich zu vertheidigen, die grösste Zahl von Nachkommen erzogen haben werden. Diejenigen Stämme, welche die grösste Anzahl von so begabten Menschen umfassten, mussten an Zahl zugenommen und andere Stämme unterdrückt haben. Die Zahl hängt an erster Stelle von den Subsistenzmitteln ab und diese wieder theilweise von der physikalischen Beschaffenheit des Landes, aber in einem bedeutend höheren Grade von den dort ausgeübten Künsten. In dem Maasse als ein Stamm sich ausdehnt und siegreich ist, wird er sich oft noch weiter durch die Absorption anderer Stämme vergrössern.[1] Die Körpergrösse und Kraft der Menschen eines Stammes sind gleichfalls für seinen Erfolg von
- ↑ Wenn die Glieder eines Stammes oder ganze Stämme eine Zeit lang in einem andern Stamm aufgegangen sind, nehmen sie, wie Mr. Maine bemerkt (Ancient Law, 1861, p. 131) an, dass sie Nachkommen derselben Voreltern wie die Glieder des letzteren seien.
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/180&oldid=- (Version vom 31.7.2018)