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Diese Nachsicht mitten in einer für ein schweres Thier so fürchterlichen Lage ist ein wunderbarer Zug einer edlen Treue.[1]

Alle Thiere, welche in Massen zusammenleben und einander vertheidigen oder ihre Feinde gemeinsam angreifen, müssen in gewissem Grade einander treu sein, und Derjenige, welcher einem Anführer folgt, muss in einem gewissen Grade gehorsam sein. Wenn die Paviane in Abyssinien[2] einen Garten plündern, so folgen sie schweigend ihrem Anführer, und wenn ein unkluges junges Thier ein Geräusch macht, so bekommt es von den Anderen einen Klapps, um es Schweigen und Gehorsam zu lehren. Mr. Galton, der so ausgezeichnete Gelegenheit zur Beobachtung der halbwilden Rinder in Südafrica gehabt hat, sagt,[3] dass sie selbst eine momentane Trennung von der Heerde nicht ertragen können. Sie sind wesentlich sclavisch und nehmen ruhig die allgemeine Bestimmung hin, ohne ein bessres Loos zu suchen, als von einem Ochsen angeführt zu werden, der Selbstvertrauen genug besitzt, diese Stellung anzunehmen. Die Leute, welche diese Thiere für das Geschirr zähmen, achten sorgsam auf die, welche besonders grasen und dadurch Anlage zu Selbstvertrauen zeigen; diese spannen sie dann als Vorochsen ein. Mr. Galton fügt hinzu, dass solche Thiere selten und werthvoll sind; würden viele solche geboren, so würden sie bald eliminirt werden, da die Löwen beständig nach solchen Individuen auf der Lauer liegen, welche sich von der Heerde entfernen.

In Bezug auf den Impuls, welcher gewisse Thiere dazu führt, sich gesellig mit einander zu verbinden und einander auf viele Weisen zu helfen, kann man schliessen, dass sie in den meisten Fällen durch dasselbe Gefühl der Befriedigung oder des Vergnügens dazu getrieben werden, welches sie bei der Ausübung anderer instinctiver Handlungen an sich erfahren, oder durch dasselbe Gefühl des Nichtbefriedigtseins, wie in anderen Fällen verhinderter instinctiver Handlungen. Wir sehen dies in zahllosen Beispielen, und es wird in auffallender Weise durch die erworbenen Instincte unserer domesticirten Thiere erläutert. So ergötzt sich ein junger Schäferhund an dem Treiben der Schafe und dem rund um die Heerde Herumlaufen, aber nicht am Beissen; ein junger Fuchshund ergötzt sich am Jagen eines Fuchses, während manche andere


  1. s. auch Hooker’s Himalayan Journals, Vol. II. 1854, p. 333.
  2. Brehm, Thierleben. Bd. I. S. 76.
  3. s. seinen äusserst interessanten Aufsatz über Geselligkeit beim Rinde und Menschen in: Macmillan’s Magazine. Febr. 1871, p. 353.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/148&oldid=- (Version vom 31.7.2018)