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damit nicht Raubthiere, mit Einschluss des Menschen, versucht würden, der Heerde zu folgen. In diesem Falle ist ihr Betragen nicht viel schlimmer als das der nordamericanischen Indianer, welche ihre schwachen Kameraden in den Steppen umkommen lassen, oder der Feuerländer, welche, wenn ihre Eltern alt oder krank werden, sie lebendig begraben.[1]

Es sympathisiren indessen sicher viele Thiere mit dem Unglück oder der Gefahr ihrer Genossen. Dies ist selbst bei Vögeln der Fall; Capt. Stansbury[2] fand am Salzsee in Utah einen alten und vollständig blinden Pelican, welcher sehr fett war und von seinen Genossen lange Zeit, und zwar sehr gut, gefüttert worden sein musste. Mr. Blyth theilt mir mit, dass er sah, wie indische Krähen zwei oder drei ihrer Genossen, welche blind waren, fütterten; und ich habe von einem ähnlichen Falle bei unserem Haushuhne gehört. Wenn man will, kann man diese Handlungen instinctive nennen, doch sind derartige Fälle viel zu selten, um der Entwickelung irgend eines speciellen Instinctes zum Ausgangspunkte dienen zu können.[3] Ich selbst habe einen Hund gesehen, welcher niemals bei einem seiner grössten Freunde, nämlich einer Katze, welche krank in einem Korbe lag, vorübergieng, ohne sie ein paar Mal mit der Zunge zu belecken, das sicherste Zeichen von freundlicher Gesinnung bei einem Hunde.

Es muss Sympathie genannt werden, welche einen muthvollen Hund veranlasst, sich auf Jeden zu stürzen, der seinen Herrn schlägt, wie er es sicher thun wird. Ich sah, wie Jemand die Bewegung machte, als schlüge er eine Dame, die einen sehr furchtsamen kleinen Hund auf ihrem Schoosse hatte; auch war dieser Versuch noch nie zuvor gemacht worden. Das kleine Geschöpf sprang sofort auf und davon; sobald aber das vermeintliche Schlagen vorüber war, war es wirklich rührend zu sehen, wie unablässig es suchte, seiner Herrin Gesicht zu lecken und sie zu trösten. Brehm[4] führt an, dass, als ein Pavian in der Gefangenschaft


  1. Sir J. Lubbock, Prehistoric Times. 2. edit. p. 446.
  2. Wie L. H. Morgan in seiner Schrift: The American Beaver. 1868, p. 272 citirt. Capt. Stansbury gibt auch einen interessanten Bericht über die Art und Weise, wie ein sehr junger Pelican, welcher von einer starken Strömung fortgetrieben wurde, in seinen Versuchen das Ufer zu erreichen, von einem halben Dutzend alter Vögel geleitet und ermuthigt wurde.
  3. Wie Mr. Bain bemerkt: „wirksame Hülfe einem Leidenden gebracht entspringt wirklicher Sympathie“. Mental and Moral Science. 1868, p. 245.
  4. Thierleben. Bd. I. S. 85.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/146&oldid=- (Version vom 31.7.2018)