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Gehorsam, erzwingst, vor dem alle Bestrebungen stumm sind, so verborgen sie sich auch auflehnen: woher stammst du?“[1]

Es haben diese Frage viele Schriftsteller von ausgezeichneter Befähigung[2] erörtert, und meine einzige Entschuldigung, sie hier nochmals zu berühren, ist sowohl die Unmöglichkeit, sie ganz zu übergehen, als auch der Umstand, dass, so weit es mir bekannt ist, ihr Niemand ausschliesslich von naturhistorischer Seite her näher getreten ist. Es besitzt diese Untersuchung auch einiges selbständige Interesse, nämlich als ein Versuch, zu sehen, wie weit das Studium der niederen Thiere Licht auf eine der höchsten psychischen Fähigkeiten des Menschen werfen kann.

Der folgende Satz scheint mir in hohem Grade wahrscheinlich zu sein, nämlich dass jedes Thier, welches es auch sein mag, wenn es nur mit scharf ausgesprochenen socialen Instincten (die elterliche und kindliche Zuneigung hier mit eingeschlossen) versehen ist,[3] unvermeidlich


  1. Metaphysik der Sitten.
  2. Mr. Bain gibt (Mental and Moral Science, 1868, p. 543—725) eine Liste von sechsundzwanzig englischen Autoren, welche über diesen Gegenstand geschrieben haben und deren Namen hier allgemein bekannt sind; diesen lassen sich die Namen von Bain selbst, von Lecky, Shadworth Hodgson, Sir J. Lubbock und noch anderer beifügen.
  3. Sir B. Brodie bemerkt, dass der Mensch ein sociales Thier sei (Psychological Enquiries, 1854, p. 192) und stellt dann die bezeichnende Frage auf: „sollte dies nicht die streitige Frage über die Existenz eines moralischen Gefühls beilegen?“ Aehnliche Ideen sind wahrscheinlich Vielen schon gekommen, wie schon vor langer Zeit dem Marcus Aurelius. J. S. Mill spricht in seinem berühmten Buche über „Utilitarianism“ (1864, p. 46) von den socialen Gefühlen als einer „kraftvollen natürlichen Empfindung“ und als „dem natürlichen Grunde des Gefühls für utilitäre Moralität“. Ferner sagt er: „Gleich den andern erworbenen, oben erwähnten Fähigkeiten ist die moralische Kraft, wenn nicht ein Theil unsrer „Natur, so doch ein natürlicher Auswuchs aus ihr, wie jene fähig, in gewissem niedern Grade spontan hervorzutreten“. Im Gegensatz zu alle dem sagt er aber: „wenn nun, wie das meine eigene Ueberzeugung ist, die moralischen Gefühle nicht angeboren, sondern erlangt sind, so sind sie doch aus diesem Grunde nicht weniger natürlich“. Nur mit Zögern wage ich von einem so tiefen Denker abzuweichen; doch lässt sich kaum bestreiten, dass die socialen Gefühle bei den niederen Thieren instinctiv oder angeboren sind; und warum sollten sie dann beim Menschen es nicht ebenso sein? Mr. Bain (s. z. B. The Emotions and the Will. 1865, p. 481) und andere glauben, dass das moralische Gefühl von jedem Individuum während seiner Lebenszeit erlangt werde. Nach der allgemeinen Entwickelungstheorie ist dies mindestens äusserst unwahrscheinlich. Das Ignoriren aller überlieferter geistiger Eigenschaften wird, wie es mich dünkt, später als der ernsteste Tadel in Bezug auf die Werke J. S. Mill's angesehen werden.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/140&oldid=- (Version vom 31.7.2018)