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Dieselben hohen geistigen Fähigkeiten, welche den Menschen zuerst dazu führten, an unsichtbare geistige Kräfte, dann an Fetischismus, Polytheismus und endlich Monotheismus zu glauben, werden ihn, so lange seine Verstandeskräfte nur wenig entwickelt waren, unfehlbar zu verschiedenen fremdartigen Gebräuchen und Formen des Aberglaubens geführt haben. Schon der Gedanke an viele Arten dieser ist schaudervoll, so das Opfern menschlicher Wesen einem blutliebenden Gotte, das Ueberführen unschuldiger Personen durch das Gottesgericht mit Gift oder Feuer, Zauberei u. s. w., und doch verlohnt es sich wohl, gelegentlich über diese Formen von Aberglauben nachzudenken; denn sie zeigen uns, in welch’ unendlicher Weise wir der Vervollkommnung unseres Verstandes, der Wissenschaft und unseren aufgestapelten Kenntnissen zu Danke verpflichtet sind. Wie Sir J. Lubbock[1] sehr gut bemerkt hat, „ist es nicht zu viel, wenn wir sagen, dass die schauerliche Furcht vor unbekannten Uebeln wie eine dichte Wolke über dem Leben der Wilden hängt und jedes Vergnügen verbittert“. Diese traurigen, indirect aus unseren höchsten Fähigkeiten herzuleitenden Folgen können mit den zufälligen und gelegentlichen Missgriffen der Instincte niederer Thiere verglichen werden.


  1. Prehistoric Times. 2. edit. p. 571. In demselben Werke findet sich (S. 553) eine vorzügliche Schilderung der vielen fremdartigen und capriciösen Gebräuche der Wilden.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/138&oldid=- (Version vom 31.7.2018)