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Fähigkeiten der Einbildung. Neugierde, des Verstandes u. s. w. nicht ziemlich gut in dem Geiste des Menschen entwickelt waren, werden ihn seine Träume nicht zu dem Glauben an Geister veranlasst haben, ebensowenig wie einen Hund.

Die Neigung bei Wilden, sich einzubilden, dass natürliche Dinge und Kräfte durch geistige oder lebende Wesen belebt seien, wird vielleicht durch eine kleine Thatsache, welche ich früher einmal beobachtet habe, erläutert. Mein Hund, ein völlig erwachsenes und sehr aufmerksames Thier, lag an einem heissen und stillen Tage auf dem Rasen; aber nicht weit von ihm bewegte ein kleiner Luftzug gelegentlich einen offenen Sonnenschirm, welchen der Hund völlig unbeachtet gelassen haben würde, wenn irgend Jemand dabei gestanden hätte. So aber knurrte und bellte der Hund wüthend jedesmal, wenn sich der Sonnenschirm leicht bewegte. Ich meine, er muss in einer schnellen und unbewussten Weise bei sich überlegt haben, dass Bewegung ohne irgendwelche offenbare Ursache die Gegenwart irgend einer fremdartigen lebendigen Kraft andeutete; und kein Fremder hatte ein Recht, sich auf seinem Territorium zu befinden.

Der Glaube an spirituelle Kräfte wird leicht in den Glauben an die Existenz eines Gottes oder mehrerer Götter übergehen; denn Wilde werden naturgemäss Geistern dieselben Leidenschaften, dieselbe Lust zur Rache oder die einfachste Form der Gerechtigkeit und dieselben Zuneigungen zuschreiben, welche sie selbst in sich erfahren. Die Feuerländer

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/136&oldid=- (Version vom 31.7.2018)